Aus der Werkstatt

Wochenrückblick KW28 / 2023

veröffentlicht: 15.07.2023 · Franziska Köppe | madiko

Zeichnung eines Bunsenbrenners mit Kolben an einem Stativ, Reagenzglas mit Setzling und ein Prisma als Symbole für eine wissenschaftliche Werkstatt / Wissensarbeiter:innen. Dazu der Titel Aus der Werkstatt 2023.

Die Themen der Woche: Runderneuerung Technik – Feinschliff. Redaktionelle Arbeit und neue Prioritäten. Sinnkopplung in der Praxis am Beispiel der aktuellen Hitze-Welle in Europa. Vision Zero und die Unfall-Statistik für Deutschland. Digitale Transformation: Die Arbeit vom heimischen Schreibtisch verstetigt sich. Renaturierung in Europa für mehr Klima-Resilienz als Teil der Anpassungsstrategie an den Klima-Wandel. Dazu ein praktisches Fallbeispiel für betriebliche Wiesen mit Bonus in Sachen Gesundheit. Filmauslese “Amanda” und “Laufen”. AI Cover und wahre Kreativität in der Musik.

Aus der Werkstatt 2023
[ 2023 Franziska Köppe | madiko ]

Es war eine Woche durch die ich mich eher träge kämpfte. Ich habe gewonnen. Zumindest bin ich zufrieden mit dem Ergebnis. Warum brauchte es das Mehr an Kraft und Zeit? Nun, die Erde hat sich aufgeheizt. Tagsüber komme ich mit hohen Temperaturen ganz gut klar, wenn ich wenigstens nachts Kühlung – also gesunden Schlaf – habe. Doch die Wärmegrade unterm Dach lagen nächtlich bestenfalls für ein … zwei Stunden um die 25°C bevor das Termometer wieder nach oben kletterte. Schließe ich morgens halb sieben sämtliche Fenster und lasse die Rollos herunter, geht es einigermaßen. Während meine Wohnung sich dann bis über 30°C aufwärmt, glühen Luft und Straßen draußen bis knapp unter 40°C. Und ich sitze im Dunkeln. Auch nicht schön.

Irgendwann wird die Luft in den Räumen halt schlecht. Vorm Fenster ist sie nicht frischer. Vor Hitze umkommen oder ersticken? Zumal der Luftaustausch zwischen drinnen und draußen nicht wirklich Erfrischung bringt. Was ist besser? Für was ich mich auch entscheide: Das ist auf Dauer zu warm, zu miefig und meine Produktivität sinkt rapide. Erst in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag fielen die Temperaturen unter 20°C. Der Taupunkt war erreicht. Dicke, krachende Gewitter mit Regenschauern auf heißen Asphalt und Stein. Glücklicherweise hatten wir eine Brise Frischluft im Stuttgarter Kessel. (Das Wort ist im Sommer so was von treffend…). Zwei Uhr morgens die Ruhe nach dem Sturm. Dann konnte ich tief, fest und ein wenig länger schlafen. Und so ist’s halt Mühsal im Büro, klare Gedanken zu fassen.

Das Erschreckendste daran sind die Erkenntnisse, dass die letzte Woche die sieben weltweit heißesten Tage seit den Wetter-Aufzeichnungen waren – so der Bericht von COPERNICUS. Kurz darauf veröffentlichte die Welt-Meterologie-Organisation (WMO) aktuelle Informationen zur Erderwärmung und den schmelzenden Eisschilden, verstärkt durch das Phänomen El Niño / Southern Oscillation (ENSO). Ich hatte davon berichtet. Diese heißesten Tage der Menschheitsgeschichte werden andererseits wohl zu den kühlsten der nächsten Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte zählen. Das sind keine schönen Aussichten. Nein, ganz und gar nicht. Was leben wir in “interessanten Zeiten”. Ich komme da weiter unten noch einmal darauf zurück.

Diese Woche stand ferner ein GesundheitsCheck an. Sehr erleichtert kann ich festhalten, dass meine Hämoglobin-Werte nun endlich im Normalbereich liegen. Erfreut stelle ich es daran fest, dass meine abendliche Runde unbeschwerter und wohlgemuter wird. Ich muss seltener anhalten, um nach Luft zu schnappen. Nachdem mein Körper wieder ausreichend Sauerstoff aufnehmen und verarbeiten kann, steht nun der Wiederaufbau der Fitness an. Das Ziel: Mich im eigenen Körper wohl(er) fühlen. Hoffentlich bin ich bald so gestärkt, dass ich meine Gehspräche auf- und gemeinsame Wanderungen mit Freunden unternehmen kann. Darauf freue ich mich sehr und hoffe, dass diese Perspektiven als treibende Kräfte und Motivatoren ihre Wirkung entfalten.

Soweit zur allgemeinen Lage. Schauen wir mal, was die Woche sonst so an Erkenntnissen und Ergebnissen einbrachte. Wohlan!

REDAXO: Runderneuerung Technik

Vielen Dank allen, die mir Rückmeldung zur neuen Technik meiner Web-Präsenz gaben. Vor allem die Tipps und Anregungen zur Verbesserung der Bedienerfreundlichkeit sowie die Hinweise, wo die Technologie noch hakte, waren wertvoll. Ich verwendete in den letzten Tagen einige Zeit darauf, diese Vorschläge umzusetzen. Nun sollte ich einen Zustand im Maschinenraum von madiko erreicht haben, wo sich das Verhältnis der Arbeit am System zur Arbeit an Inhalten drehen kann. Sehr schön!

Nächster Schritt in Sachen Technik: All das nun auch für WandelMut umsetzen. Das wird noch einmal ein Batzen Arbeit. Indes wird es natürlich viel einfacher, da ich implementieren und nicht mehr schwerpunktmäßig programmieren muss. Bleibt also zu hoffen, dass ich das System nebenan (eigene Instanz) zügig ebenfalls auf den neuesten Stand bringen kann. Bitte drück mal die Daumen, dass alles glatt läuft. Das kann ja nie schaden, auch wenn ich optimistisch bin.

Was mich direkt zum nächsten Punkt bringt…

Redaktionelle Arbeit

Nach und nach bereite ich die Berichte aus den vergangenen Wochen zum Veröffentlichen auf. Ich hatte teils nur Notizen meiner Erfahrungen und gewonnenen Erkenntnisse. Sie galt es zu einem lesbaren Text weiterzuentwickeln. Ich kramte im Kalender und frischte meine Erinnerung über meine Social Media Posts auf. Ich recherchierte Quellen und untermauerte meine Aufzeichnungen mit wissenschaftlichen Grundlagen.

Dann folgt wie stets das eigene Lektorat mit dem Feinschliff für Lesbarkeit, Ausdruck und Rechtschreibung / Grammatik. Mit ein bisschen Abstand zum Geschehen fällt mir deutlich leichter, mich von Text-Passagen zu trennen. Kladderadatsch entfernen und mich auf das Wichtige fokussieren geht von der Hand, wie ich es sonst nur bei fremden Schriftstücken empfinde. Da reichen also schon ein paar Wochen. Sieh an.

Schau gern ins Archiv. Ich habe mich entschlossen, die Zeitzeugnisse in ihrer Chronologie zu erhalten und den einzelnen Kalenderwochen zuzuordnen, auch wenn sie erst später online gingen (gehen). Eine Handvoll sind es noch, die hier im Entwürfe-Ordner schlummern. Mal schauen, ob ich weiterhin ein bis zwei pro Woche zusätzlich schaffen kann. Und wann sie sich überholen und ihren Wert einbüßen.

An dieser Stelle lade ich Dich, liebe Leserin, lieber Leser, wieder ein, Dich zu fragen: Nimmst Du vom Lesen hier etwas für Dich mit? Wenn ja, freue ich mich über ein paar Taler in meinen virtuellen Hut. Und fürs Teilen und Weiterleiten. Herzlichen Dank!

Werde Teil der Bewegung und Kooperative WandelMut und gestalte mit!

Das “WandelMut Arbeitsbuch”, meine Reportagen, zahlreiche Gespräche mit Impulsgeber:innen, Fachbeiträge, die “LeseLust” und noch viel mehr wie auch meine Berichte aus der Werkstatt  –  sie alle stehen kostenfrei und offen zur Verfügung.

Bitte wirf einen selbstgewählten Beitrag in meinen virtuellen Hut und schließe Dich unserer Bewegung an. Lass uns gemeinsam Zukunft gestalten!

Von der Redaktionellen Arbeit gelingt der sanfte Übergang zu den Fach-Themen und Impulsen fürs Draufrumdenken in dieser Woche. 😉

Sinnkopplung in der Praxis

... am Beispiel der Anpassung an den Klima-Wandel

Ich sprach oben über die Hitzewelle, die unseren Erdball derzeit zum Glühen bringt. Wir nähern uns der 1,5°-Grenze und spüren mit aller Naturgewalt die Konsequenzen des menschgemachten Klimawandels. Es gibt recht unterschiedliche Strategien, mit dieser Erkenntnis umzugehen. Maximilian fand dafür nachdenkenswerte Worte. In seinem Blog schreibt er nach einer eleganten Hinleitung (da will ich nicht spoilern):

Die Gegenwart, die wir alle in irgendeiner Weise empfinden, vermutlich auch immer aufdringlicher empfinden, sie drängt uns immer mahnender zu moralischen Entscheidungen und zu ethisch korrekten Handlungen. […] Wir müssen uns gründlich anders verhalten, um die Welt zu retten, um uns zu retten und die paar noch übrigen anderen Arten auch. […] Wir werden außerdem vermutlich demnächst mit wesentlich größeren Krisen zurechtkommen müssen, als es in den letzten paar Jahrzehnten, etwa in meiner Jugend, von uns erwartet wurde, das sicher auch. Wir müssen also viel vernünftiger sein, um es auf eine konzentrierte Formel zu bringen.

Das ist nun eine Eltern-Ich-Formulierung, nicht wahr, um ein altes Modell zu benutzen, es passt mir gerade hervorragend. Das Eltern-Ich mahnt also ernst zu Mäßigung und Verzicht, in vielen Zusammenhängen und in etlichen Situationen. Es ist dies aber eine schlimme Forderung, eine furchtbare Zumutung. Denn die Fähigkeit zur Mäßigung war zwar über viele Jahrhunderte eine eminent wichtige und auch als erstrebenswert geltende Tugend in nahezu allen Weltgegenden und Religionen, sie war es aber nicht bei uns in den letzten, na, sagen wir sechzig Jahren. […]

Es ist diese Angst vor dem Verzicht und der Mäßigung, welche die Menschen noch mehr in die Gier treibt, in die Torschlusspanik […] Die Angst vor dem Verzicht treibt das innere Kind in wildeste Trotzreaktionen, denn das Kind will alles haben, alles behalten, alles benutzen oder auch kaputtmachen, ganz nach Belieben, und zwar jetzt.

Maximilian Buddenbohm

Es ist diese Panik, die vielleicht erklären kann, wieso es von 2021 auf 2022 11 % mehr dieser Ungetüme an SUVs auf deutschen Straßen gibt. Die Fahrzeugdichte in Deutschland: 722 Kraftfahrzeuge je 1.000 Einwohner. Das ist so absurd, denn privater PKW-Besitz ist dermaßen ineffizient. Ich erzähle nichts Neues: Die Blechkisten stehen die meiste Zeit nur rum. Was für eine Verschwendung an Ressourcen auf so vielen Ebenen!

Wir haben in Siedlungszentren eine Verdichtung bis zu 50%. Was zu den unsäglichen Hitze-Inseln führt, unter denen wir derzeit so enorm leiden. Es geht jedoch nicht nur um das Leid. Es sterben Menschen. Allein 61.672 Menschen starben in Europa einen Hitze-Tod zwischen Ende Mai und Mitte September 2022. Es ist unfassbar.

Dazu die überhöhten Geschwindigkeiten in einem Land, das das mit dem Tempolimit rechtlich nicht auf die Reihe kriegt. Von der Exekutive in der Durchsetzung der Straßenverkehrsordnung mal ganz abgesehen. Kriegen ist hier bewusst gewählt. Denn das Ganze braut sich zusammen zur alljährlich traurigsten Statistik: Der Zahl der Unfälle mit Personenschaden, wie das so lapidar heißt. Ich komme da gleich drauf zurück. Bleiben wir zunächst beim Thema Sinnkopplung.

Sind die Grill-Orgien, die zahlreichen Fernreisen per Flug, Kreuzfahrt und Auto, Fast Fashion und so weiter – sind sie also alles nur eine Trotz-Reaktion?

Die ganze Gier, das unbedingte Habenwollen und Behaltenwollen, das Maßlose auch, sie erklärt mir ebenfalls, wieso die Menschen so aggressiv reagieren, wenn man sie auf dies und das hinweist. Es sind stets die inneren Kinder, die da rebellieren, die jetzt in der Trotzphase sind, die sich auf den Boden schmeißen und brüllen, dass „Die Grünen“, gemeint als Wahngebilde aller, die irgendetwas mit moralischer Begründung wollen, bloß abhauen sollen. Doch, ich denke, es erklärt sich tatsächlich so, es ist dieser Mechanismus.

Und auf der anderen Seite haben wir dann aber die, welche sich im strebenden Eifer auf die Elternseite begeben, die Überkompensierenden. Das erklärt mir die seltsamen Ausgeburten an brennendem Belehrungseifer, an Puritanismus, Prüderie und an Hochleistungen im Moralkeulenschwingen, die man gleichfalls kaum übersehen kann. Pietcong in etlichen Ausprägungen, Rechthaberei in merkwürdig entgrenzter Raserei, verbrennt sie, verbrennt sie, sie ist eine Hexe, und wo steht der Pranger, wir brauchen ihn jetzt wieder.

Tobendes Kinder-Ich hier, schimpfendes Eltern-Ich da. Vermutlich kommt beides in verschiedenen Anteilen in uns allen vor, je nach Themengebiet. Was macht man aber nun, wenn man mit der Mehrheit dessen, was man bewusst steuern zu können meint, dazwischensteht und sich nicht dauerhaft auf eine Seite schlagen möchte, weil einem beide Clubs nicht recht sympathisch vorkommen?

Man macht, und jetzt schlägt argumentativ meine große Stunde, einfach weiter. […] Man verhält sich einfach weiter und richtig, das ist die Antwort. Oder es ist zumindest eine der möglichen Antworten, und vermutlich die beste. Vorbild sein, so nennt man es auch. Aber das klingt mir schon wieder viel zu schlimm und vor allem zu mahnend, und ich würde da auch meinen eigenen Ansprüchen kaum je gerecht werden können. Ich sage daher nur: Weitermachen, auch wenn keiner guckt. Und dann erst recht.

Nicht als hysterisch tobendes Kind ohne jede Affektkontrolle, nicht als belehrender Vater mit rigoroser Moral und erhobenem Zeigefinger, sondern als stets bemühter, möglichst erwachsener Mensch.

Und dann einfach dieses Mittelmaß und die damit verbundene Mäßigung in aller gebotenen Dezenz unaufgeregt ausstrahlen.

Das ist alles.

Maximilian Buddenbohm

Dieses Verhalten beschreibt die stillschweigende Mitte. Sie machen weiter nach bestem Wissen und Gewissen. Ohne viel Aufhebens darum. Die Beführwortung von Klima-Schutz-Maßnahmen ist nämlich größer als uns Medien und Politik Glauben lassen wollen. Wir neigen ja leider heutzutage dazu, schlechter von unseren Mitmenschen zu denken, als sie es sind. Sie sind im Grunde gut. Davon hatten wir es hier in meinen Berichten aus der Werkstatt zu WandelMut ja auch schon öfter. Humanismus und so. Du weißt, wovon ich spreche.

Wenn wir also Menschen überzeugen wollen, es uns mutig gleichzutun, ist weder der erhobene Zeigefinger noch die trotzige Abwehr und ein Verteufeln der jeweils anderen Lebensentwürfe (egal welcher Farbgebung) hilfreich. Vielmehr lohnt die ehrliche, nüchterne Bilanz. Sich die eigene Nische für Klima-Resilienz zu suchen. Die Dinge, die mir leicht fallen, konsequent umsetzen. Mich andererseits nicht entschuldigen und rausreden. An den Dingen zu arbeiten, die vielleicht schwerer fallen. Über die Fortschritte freuen. Auch auf die Gefahr, mich zu wiederholen: Wir überschätzen, was wir an einem Tag leisten können. Genauso unterschätzen wir die gesellschaftliche Wirkung dessen, was wir in einer Woche, einem Monat, einem Jahr, in unserer Lebenszeit erreichen können. Jeder Beitrag zählt.

Und im Zusammenleben und –arbeiten mit anderen? Den geschützten Raum schaffen, offen über die Hindernisse und Beweggründe zu sprechen. Sinnkopplung adressieren. Sich gegenseitig ermutigen. Daran glauben, dass sich andere bewegen können – so sie denn wollen. Ihnen diese Wahl- und Entscheidungsfreiheit und damit die Verantwortung zu überlassen. Offen zu sein für die eigene Veränderung, weil es für alle besser dadurch wird. Nicht aber andere ändern zu wollen. Das tut dann auch nicht so weh. Das schlechte Gewissen kann schrumpfen. Klar drängt die Zeit. Es macht jedoch überhaupt keinen Sinn, andere Missionieren zu wollen. Ich kann im Alleingang nicht die ganze Welt retten. Ich kann mich verbrüdern und verschwestern. Und sei es still und leise im Geiste – und vor allem im Tun.

Möglicherweise ein verwegener Gedanke: Ich muss juristische Grenzen, Normen und Richtlinien nicht beständig ausloten. Ich kann mein eigenes Tempolimit fahren. Das lässt sich auf andere Bereiche übertragen. Klar, auch ich wünsche mir, dass diese Wahlfreiheit einfacher für uns alle wird. Es hilft dennoch nichts. Je mehr mitmachen – und sei es schweigend und im Mittelmaß wie von Maximilian beschrieben – desto größer wird unser Erfolg. Desto angenehmer werden wir in Zukunft leben.

Vision Zero

Ziel: Keine Verunglückten im Straßenverkehr mehr

Jetzt schrieb ich gerade von Aufbruchstimmung und gebe ihr direkt einen Dämpfer. Diese Woche veröffentlichte nämlich das Statistische Bundesamt die jährliche Unfall-Statistik 2. Die traurige Bilanz: 8 Menschen sterben pro Tag(!) in Deutschland im Straßenverkehr. Das sind 2.788 Schicksale. 2.788 Familien, deren Leben seit 2022 ein anderes ist. Unwiederbringlich müssen sie von nun an mit dem Verlust klarkommen. Und die Unfall-Beteiligten mit ihrer Schuld. Hinzu kommen – und sie werden in der Unfall-Statistik nicht gezählt – zahllos mehr Betroffene, die mit diesem sinnlosen Tod verknüpft sind – von den Ersthelfer:innen, den Notfall-Sanitäter:innen und Ärzt:innen über die Angehörigen, die Freund:innen, Kolleg:innen und Geschäftspartner:innen bis hin zu den Verwalter:innen in Versicherungen und Ämtern, in den Bestattungsinstituten. Stellt Euch vor, sie alle könnten sich stattdessen mit den schönen Dingen des Lebens beschäftigen!

Neben den privaten Themen ist es aber auch ein enormer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Schaden. Denn die Leute wurden ausgebildet, erarbeiteten sich Wissen und Fähigkeiten. Nun fehlen sie auf einen Schlag. Mögen große Konzerne das vielleicht noch intern abfangen können, so kann es für kleine Firmen, Forschungseinrichtungen, Kultur etc. möglicherweise nicht mehr weitergehen. Gerade das Plötzliche macht jegliches darauf einstellen unmöglich – außer man würde ständig davon ausgehen, von der Straße nicht zurückzukehren.

Matthias Engel

Quelle: Im Austausch mit mir zur Statistik via Zweirat Slack

Innerorts kamen 32 % der bei Unfällen im Straßenverkehr Getöteten ums Leben, auf Landstraßen waren es 57 % und auf Autobahnen 11 %. Besonders hart traf es 2022 die Menschen des Langsam-Verkehrs. Sie geraten immer häufiger unter die Räder. Der Anteil der verunglückten Radfahrenden hat sich seit 2000 fast verdoppelt: 474 – 1,3 Personen pro Tag. 368 waren zu Fuß unterwegs als sie vom Fahrzeug der Fahrer:innen erfasst und getötet wurden. Oder aber an schlechter Infrastruktur irreversibel scheiterten. Unter den tödlich verunglückten Fahrradfahrerinnen und -fahrern fuhren 208 mit einem Pedelec / E-Bike. 10 Menschen verunglückten 2022 mit einem E-Scooter tödlich.

Verunglückte E-Scooter-Fahrende gibt es in allen Altersgruppen, die meisten sind jedoch eher jünger: Im Jahr 2022 waren 80,7 % von ihnen jünger als 45 Jahre, 40,2 % waren jünger als 25 Jahre. Dagegen gehörten nur 3,3 % der E-Scooter-Nutzenden, die in einen Unfall mit Personenschaden verwickelt waren, zur Altersgruppe 65plus. Zum Vergleich: Bei den Unfallopfern, die mit dem Fahrrad oder Pedelec unterwegs waren, war der Anteil in dieser Altersgruppe mit 19,9 % deutlich höher. Gleichzeitig war nur die Hälfte (48,6 %) von ihnen jünger als 45 Jahre, nur 23,9 % waren nicht älter als 25 Jahre.2

Bei Unfällen auf Landstraßen, bei denen mindestens eine beteiligte Person die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hatte beziehungsweise für die Straßen- oder Witterungsverhältnisse zu schnell fuhr, starben 530 Menschen. Das war ein Drittel (33 %) aller Verkehrstoten auf Landstraßen. Mehr als ein Viertel der Schwerverletzten (5.989 Menschen oder 27 %) auf Landstraßen ging ebenfalls auf Unfälle wegen zu hohen Tempos zurück.

Auf Autobahnen starben 314 Menschen im Jahr 2022. Darunter waren 181 Pkw-Insassen und 71 Insassen von Güterkraftfahrzeugen (Lkw, Sattelzugmaschinen oder Kleintransporter usw.). Auch auf Autobahnen ist zu schnelles Fahren eine der Haupt-Unfall-Ursachen. Bei Geschwindigkeitsunfällen auf Autobahnen fuhren 121 Menschen in den Tod (39 % aller Getöteten auf Autobahnen).

Doch sind es nicht nur die Toten, die zu beklagen sind. 989 Verletzte pro Tag(!) kommen hinzu. Die Zahl der bei Unfällen im Straßenverkehr verletzten Personen stieg im Jahr 2022 um 12 % auf 361.134 Verletzte. Das entspricht der kompletten Bevölkerung von Bochum in Nordrhein-Westfalen. Alle!

16.807 Unfälle geschahen unter Alkohol-Einfluss. 19% mehr als 2021. Betrachtet man Unfälle mit Personenschaden sogar eine Zunahme um 23 % im Vergleich zum Vorjahr.

Karte von Deutschland. Über das gesamte Bundesgebiet verteilt sind überall Gefahren für Verkehrsteilnehmende markiert (6-12 Tote). Besondere Unfall-Schwerpunkte in Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen sowie Großstädten wie Leipzig, Dresden, Nürnberg, Stuttgart, München (56-127 Tote).. Bild: copy Statistisches Bundesamt (Destatis)

Unfälle mit Personenschaden in Deutschland 2022 / Unfall-Atlas Deutschland
[ 2023-07-12 Statistisches Bundesamt (Destatis) ]

Für die Stuttgarter Community: Holger Bruch nahm die Veröffentlichung des Unfall-Atlas zum Anlass, die Karte der Unfall-Schwerpunkte in der Region Stuttgart zu aktualisieren. Guckst Du: www.heatview.de.

Können wir bitte noch einmal über das Tempolimit reden? Nein umsetzen. Jetzt. Bitte!

Quellen:
[ 1 ] Durchschnittlich 8 Tote und 989 Verletzte pro Tag im Straßenverkehr im Jahr 2022
(Presse-Info Statistisches Bundesamt DEStatis, 2023-07-12 / abgerufen 2023-07-15).
[ 2 ] 65 % aller E-Scooter-Unfälle mit Personenschaden ereigneten sich 2022 in Großstädten
(Presse-Info Statistisches Bundesamt DEStatis, 2023-05-10 / abgerufen 2023-07-15).

Weitere Informationen:
[ 3 ] Unfallgeschehen auf regionaler und lokaler Ebene: Unfall-Atlas.
[ 4 ] Informationen zum Unfallgeschehen nach Tagen, zum Beispiel zur Häufung von Fahrrad- oder Motorradunfällen im Jahresverlauf oder zu Tagen, an denen besonders viele Kinder verunglücken: Unfall-Kalender.

Digitale Transformation

Die Arbeit vom heimischen Arbeitszimmer aus verstetigt sich

Ein Baustein in der MobilitätsWende ist die Frage, wie oft, wie weit und wozu wir uns ins Getümmel der Straßen stürzen. Im Rahmen der Pandemie COVID-19 realisierten viele kleine und mittelständische Firmen, wissenschaftliche Institutionen und Kulturbetriebe, dass verteilte Arbeitsgruppen müheloser umzusetzen sind, als sie bis dato annahmen. Insbesondere Dienstleister:innen, Wissensarbeiter:innen und Künstler:innen haben heute über Online-Werkzeuge viele Möglichkeiten, ihre Leistungen zu organisieren, zu erbringen und zu verbreiten. Und für die, die schon seit Jahrzehnten virtuell arbeiten, ist es (endlich) deutlich leichter geworden, Abnehmer:innen und Interessent:innen via Internet zu finden, zu betreuen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Mithin, digitale Geschäftsmodelle halten in Deutschland Einzug in den gelebten Arbeitsalltag. Und das ist gut so.

Es gab einige Skeptiker:innen, die der Entwicklung kritisch gegenüberstanden. Sie prophezeiten, dass sich “nach der Pandemie” alles wieder zurück auf “normal” einpendeln würde. Im zweiten Jahr hieß das dann “das neue Normal”. Wir begannen zu begreifen, dass sich etwas grundlegend in der Gesellschaft verändert hatte. Heute gehe ich davon aus, dass in den nunmehr drei Jahren – seit der Ausbruch von SARS-COV-2 die digitale Transformation dringlicher machte – bleibende Veränderungen und neue Strukturen entstanden sind. Insofern beobachte ich interessiert, wie sich die Situation und die gesellschaftliche Akzeptanz entwickeln. Unter dem Schlagwort “Home-Office” veröffentlichte das Statistische Bundesamt DEStatis die neuesten Zahlen. Ihr Fazit: Knapp ein Viertel aller Erwerbstätigen arbeitete 2022 im Homeoffice.

Anteil der Erwerbstätigen im HomeOffice (in %) von 2017 bis 2022. Bild: copy Statistisches Bundesamt (Destatis)

Anteil der Erwerbstätigen im HomeOffice (in %) von 2017 bis 2022
[ 2023-07-11 Statistisches Bundesamt (Destatis) ]

Arbeit von zu Hause aus in ausgewählten Wirtschaftsbereichen 2022. Bild: copy Statistisches Bundesamt (Destatis)

Arbeit von zu Hause aus in ausgewählten Wirtschaftsbereichen 2022
[ 2023-07-12 Statistisches Bundesamt (Destatis) ]

Ich komme auf die Ergebnisse in den nächsten Wochen zurück, wenn mein tolles Gespräch mit Jan Quaing von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt zum Nachhaltig.Digital Monitor herauskommt. Ich bin da leider in Verzug geraten. Habt bitte noch Geduld mit mir.

Die Regelung “3G am Arbeitsplatz und HomeOffice-Pflicht” der Bundesregierung kam erstmals in Kraft am 27.01.2021 und wurde danach regelmäßig, zirka alle 3 Monate geprüft und justiert. Sie galt bis 19.03.2022.

Naturschutz

Zuerst die ernüchternden und mütenden Zahlen vom Verkehr. Dann ein erster Silberstreif am Horizont bezüglich Verkehrswende und “neue Arbeit”. Reicht noch nicht? Finde ich auch. Es braucht weitere Aufmunterung.

Erfolg für größte Europäische
Initiative für Naturschutz

Diese Woche kam sie einher als das vom Europäischen Parlament verabschiedete EU-Gesetz zur Wieder­herstel­lung der Natur. Die Abstimmung war knapp, jedoch eindeutig: 336 Ja-Stimmen, 300 Gegenstimmen, 13 Enthaltungen. Es gibt im Übrigen eine klar erkennbare Gesinnung der deutschen Politiker im EU Parlament. Das mal für die kommenden Wahlen im Kopf behalten.

Wer eine starke Gesetzgebung zur Renaturierung in Frage stellt, hinterfragt letztlich, dass Menschen von Naturdienstleistungen abhängig sind. Ich denke, das ist keine gute Position. Mit dem EU-Gesetz zur Wieder­herstel­lung der Natur haben wir uns selbst geschützt.

Janez Potočnik

Co-Vorsitzender des International Resource Panel der Vereinten Nationen

Quelle: KlimaUpdate 138: “Showdown beim Naturschutz, zu viel Hitzetote, Anthropozän” (eigene, sinngemäße Übersetzung)

Mehr Informationen zum Panel und zur Person: Janez Potočnik.

Das Natur-WiederherstellungsGesetz ist ein wesentlicher Bestandteil des European Green Deal auf dem Weg zu einem klima-neutralen Kontinent. Die Bedeutung dieses Gesetzes für die ambitionierten Ziele ist sehr hoch. Ohne es, wäre der “Grüne Vertragsabschluss” eine leere Hülle ohne gesellschaftliche Wirkung. Fundiert wird die Novelle von drei, wissenschaftlich belegten Erkenntnissen:

  • Europas Natur befindet sich in einem äußerst schlechten Zustand. Wir reden von 80 % der Öko-Systeme, die in ihrer Funktionsfähigkeit und Klima-Resilienz stark gefährdet sind.
  • Intakte Öko-Systeme sind die besten Klimaschützer. Grünland, Feuchtgebiete, Moore und Wälder können im großen Stil CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und binden. Sie sind Kohlendioxid-Senken. Was notwendig ist, um die Erderwärmung abzumildern und die Klimaziele zu erreichen. Mithin unseren Lebensraum zu schützen.
  • Renaturierung ist laut Weltklimarat (IPCC) eine besonders kosten-effiziente Klima-Maßnahme um Treibhausgas-Emissionen zu senken.

Die EU sorgt mit dem Gesetz dafür, dass Wälder, Moore, Wasser-Gebiete und landwirtschaftlich genutzte Flächen (degradierte Böden verbessern / Seiten 32 ff, .pdf via IPCC) renaturiert werden. Sie können weiter von uns wirtschaftlich genutzt werden – jedoch wieder im Einklang mit der Natur.

Entgegen den Behauptungen der Gegner geht es also nicht darum, neue Naturschutz-Gebiete einzurichten. Und es steht nicht zu befürchten, wir könnten Lebensmittel-Knappheit über die Maßnahmen zum Naturschutz hervorrufen. Es ist absurd: Genau das Gegenteil ist der Fall. Über die Maßnahmen stellen wir sicher, die Fähigkeit unseres Lebensraums für Natur-Dienstleistungen zu erhalten – dass die Natur uns helfen kann, gut zu (über)leben.

Mit dem Wiederherstellen natürlicher Biotope stärken wir die Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit unserer Umwelt an den Klima-Wandel. Es geht um die Anpassung und Regeneration. Es geht um das Erhalten unserer Lebensgrundlagen, sie in zirkulärer Wertschöpfung zu nutzen. So sorgen wir ferner für Schutz vor Extrem-Wetter-Ereignissen (ja, ich komme diese Woche immer wieder darauf zurück). Es geht darum, Kohlendioxid-Senken zurückzugewinnen. Es geht um den Schutz unseres Trinkwassers – Quell allen Lebens.

Es würde für diesen Bericht aus der Werkstatt zu weit führen, das Gesetz vorzustellen. Ich müsste dann auf die unzähligen Falsch-Informationen eingehen, die im Netz kursieren. Da bin ich so frei und verweise auf den Podcast von Klaudia Kempfert. Sie hat das gemeinsam mit Markus Schödel vom MDR aufgearbeitet: EU-Naturschutz-Gesetz: Beste Versicherung gegen Dürren.

Wer mehr wissen mag zur Klima-Resilienz unserer Ökosysteme und was wir dafür aus wissenschaftlicher Sicht tun müssen, hier eine kleine Auswahl an Folgen des Scientists For Future Podcasts:

Mähen mit Sichel und Sense – Naturschutz und ein Beitrag zur Gesundheit im Betrieb

Zurück zur Natur also. Lass uns einen konkreten Vorschlag dazu herausgreifen. Zugegeben, für große LandwirtschaftsBetriebe ist das hier jetzt nichts. Im kleinen Rahmen – die Wiese am Firmen-Gebäude beispielsweise – jedoch durchaus eine der Alternativen klima-resilienter, landwirtschaftlicher Nutzung: Die Arbeit mit Sichel und Sense. Bei näherer Betrachtung könnte das obendrein eine sinnvolle Maßnahme im betrieblichen Gesundheitsmanagement werden. In Form von Bewegung und Meditation nach einer langen Sitzung zum Beispiel.

Ich erinnere mich gut an meine Kindheit und Jugend. Der himmlische Duft frisch geschnittenen Grases und des Heus beim Wenden wenige Stunden später. Ich erinnere mich auch an die Schwielen an den Händen, das schon. Ich mochte das gleichmäßige Arbeiten auf der Wiese. Das Gras stand hoch, teilweise bis zu einem Meter. Mir gefiel der Drehimpuls aus der Hüfte. Es war eine willkommene Abwechslung zum Geige-Üben. Von daher beherrschte ich den hüftbreiten, stabilen Stand bereits. Hinzu kamen die kleinen Trippelschritte, um nach und nach die Halme zu legen. Unwillkürlich muss ich grinsen, im Ohr die mahnende Stimme meines Großvaters Erich: “Nicht die Schultern hochziehen! Locker aus der Hüfte. Nicht mit Kraft, mit Schwung! Ja, genau so. Prima machst Du das!” Auf seine eigene Sense gestützt grinste er mich voller Stolz an. Hinter mir lachte mein kleiner Bruder. Er fächerte mit dem Rechen die Halme auf, damit das Gras gut trocknen konnte. Langsam die Bewegungen, mit Bedacht. Schneller wurde ich von ganz allein durch die Übung. Wichtig war, die Bewegungsabläufe zu verinnerlichen. So gut, dass ich mich nicht mehr auf sie konzentrieren musste. Mit der gewonnenen Routine hieß es später nur noch schauen, dass das Reh, der Igel oder die Maus ausreichend Zeit hatten davonzulaufen. Dass wir ihnen durch die Formation unserer Aufstellung auf der Wiese den Fluchtweg nicht abschnitten.

Schschscht. Schschscht. Schschscht. Dazu pfiffen uns die Vögel ein Liedchen. Währenddessen aufpassen, dass wir auf der Nasenspitze, den Ohren und im Nacken keinen Sonnenbrand bekommen. Dösend saßen wir mittags im kühlen Schatten der Linde oder des Apfelbaums – je nachdem, welche Wiese anstand. Ich erinnere mich an die Käse-Salami-Brote, die frischen Erdbeeren, Himbeeren, Tomaten und Gurken aus dem Garten, an die selbstgepflückten Heidelbeeren aus dem Wald. An das Summen der Bienen. An die Schmetterlinge. Mein Großvater war kein großer Redner. Wir arbeiteten schweigend und genossen die gemeinsame Zeit in der Natur. Ab und an haute mein Bruder einen Witz heraus, und wir lachten unbeschwert. Wir dengelten die Sensen. Wir wetzten die Klingen. So lernte ich von Kindesbeinen an, wie wichtig die Pflege des eigenen Werkzeugs ist, will man effektiv und mit Freude arbeiten.

An all das erinnerte mich der Podcast von Mission Energiewende: Prinzip Schlenkerpuppe. Für die Reportage nahm detektor.fm-Redakteurin Sara-Marie Plekat an einem Mäh-Workshop von Mario Knoll teil. Der Kurs fand auf dem Jägerberg bei Jena statt. Sogar der sanfte Zungenschlag ist ein Sprung zurück in meine Heimat. Einfach schön und vielleicht ja auch für Dich und Euren Firmen-Garten eine Inspiration, den lauten, stinkenden Rasenmäher zukünftig stehen zu lassen.

Kleiner Fun-Fakt: Von meinem Bruder erfuhr ich, dass das Wissen von ihm an die nächste Generation weitergegeben wird. K1 kann das Gerät auch schon anwenden.

Film-Auslese:
"Amanda" & "Laufen"

Was für eine Woche! Ich war froh, abends meine Füße hochlegen und meiner Liebe für Filme nachgehen zu können. Die Mediatheken von ARD und ZDF bieten zwei erstklassige Spielfilme. Das Thema ist nicht einfach. Es wird jedoch mit so viel Einfühlungsvermögen inszeniert, dass ich sie Dir ans Herz lege:

“Mein Leben mit Amanda”

Es ist Sommer in Paris. David (24 Jahre alt) ist unbekümmert. Sein Leben finanziert er sich als Landschaftsgärtner sowie als Betreuer von Touristen und Neuankömmlingen in der Stadt. Er holt sie vom Bahnhof ab und bringt sie in ihre Unterkunft. Als liebevoller Onkel kümmert er sich gelegentlich um seine Nichte Amanda. Er holt sie aus der Schule ab und organisiert Ausflüge gemeinsam mit Sandrine, seiner Schwester. Locker und sorgenfrei genießt er das Zusammensein mit Freunden. Es ist eine vergnügte Zeit, auch wenn sie in einfachen Verhältnissen leben.

Diese Unbeschwertheit findet ein jähes Ende. Verspätet kommt er zu einem Treffen im Park, was ihm letztlich wohl das Leben rettete. Geschockt blickt er auf ein Bild des Grauens. Terroristen haben kurz zuvor ein Attentat verübt. Sandrin wurde getötet. Sein bester Freund ist schwer verletzt. Seine Nachbarin Léna, in die er sich verliebt hat, schwebt in Lebensgefahr. Das Erlebte ist noch kaum verarbeitet, ist David gezwungen, eine Entscheidung zu treffen und große Verantwortung zu übernehmen: für sein Leben und das seiner sieben-jährigen Nichte Amanda.

In Frankreich kam “Amanda” drei Jahre nach den Anschlägen des 13. November 2015 heraus. Es ist eine behutsame, lebensbejahende Aufarbeitung der Attentate. Ist es nicht bezaubernd und bewegend, wie es Französinnen und Franzosen immer wieder gelingt, mit großer Liebe und Menschlichkeit auf tragische, erschütternde Terror-Anschläge zu reagieren? Der Film “Mein Leben mit Amanda” ist ein wunderbares Beispiel dafür. Eine Geschichte, die mich hineinzieht in das Leben in Paris mit all seinen Höhen und Tiefen. Nahbar, ohne voyeuristisch zu sein. Kein überhöhter Helden-Pathos, wie man es aus us-amerikanischen Filmen kennt. Voller Trauer als auch glücklicher Momente. Was für ein toller Film!

Ich nehme daraus zudem eine großartige Beschreibung, Erklärung und Aufbereitung für “Elvis has left the building” mit. [ Minuten 03’53’‘ und 1:35’16’‘ ] 😉

Der Film ist verfügbar in der ARD Mediathek bis 01.08.2023: Mein leben mit Amanda (Original-Version / FR: Amanda).

“Laufen”

Um den Umgang mit dem Tod geht es auch im Film “Laufen”. Es ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Isabel Bogdan. Ich hatte davon berichtet (siehe Aus der Werkstatt KW15).

Im Mittelpunkt des Geschehens steht Juliane. Sie wird aus ihrem Alltag als Orchester-Musikerin durch den Selbstmord ihres Lebensgefährten gerissen. In ihrer Trauer unterstützt wird die Cellistin von ihrer besten Freundin Rike. Nach langer Krankheit findet sie im Ensemble ein soziales Netz. Ein Jahr der Verzweiflung, des Schmerzes, der Schuldgefühle. Das will sie nun nicht mehr. Mühsam rafft sie sich auf. Setzt einen Fuß vor den anderen und findet über das Laufen ins Bewältigen des Alltags zurück. Zunächst keuchend. Erinnerungen, destruktive Gedanken gehen ihr durch den Kopf. Doch gestärkt über die liebevolle, ausdauernde Begleitung Rikes und die Unterstützung ihrer Kolleg:innen schafft sie es letztlich aus eigener Kraft. Zurück ins Leben. Zurück auf die Bühne.

Dieser Film zeigt mir, wie wichtig der gefühlvolle Umgang miteinander ist. Dass wir Gefühle nicht ausblenden sollten. Dass es nichts bringt, andere Menschen verändern zu wollen. Dass wir ihnen nur geduldig, demütig beistehen können. Dass jedoch ebenso wichtig ist, in Freundschaften und unter Kolleg:innen auf uns zu achten. Uns selbst bei aller Nächstenliebe nicht zu vergessen. In gewisser Weise zeigt der Film auch, wie wertvoll Menschlichkeit im Arbeitsumfeld ist. Wie langanhaltend die sanfte Unterstützung im Rahmen der Wiedereingliederung im Arbeitsalltag sein muss. Wie uns eine Begebenheit und liebgemeinte Geste in der Trauerarbeit zurückwerfen kann. Und dass Menschen eben nicht “einfach funktionieren”. Dass wir aufeinander Acht geben und für uns da sein müssen. Dann sind wir im Stande, die größten Krisen zu überwinden und vielleicht so etwas wie Glück zu finden. Wie auch immer das jede:r Einzelne von uns interpretieren mag.

Der Film ist verfügbar in der ZDF Mediathek bis 13.04.2024: Laufen.

Zuguterletzt

Joa, zum Abschluss wird’s heute ein wenig creepy:

Klingt glaubwürdig, oder? Leider muss ich Dich enttäuschen. Es handelt sich nicht um eine aus alten Archiven gekramte Aufnahme der Swing-Legende. Es ist ein “AI Cover” produziert von Lace Editing.

Kurz zum Einordnen: Francis Albert „Frank“ Sinatra kam am 12. Dezember 1915 in Hoboken, New Jersey auf die Welt. Er verstarb am 14. Mai 1998 in Los Angeles, Kalifornien. Erstaunlicherweise trat er bis in die 1990er Jahre auf. Noch 1994 hatte Sinatra über 80 Auftritte und unternahm Konzert-Reisen auf die Philippinen und nach Japan. Seinen letzten Gesangsauftritt hatte er im Februar 1995.1 Der Rap-Song “Gangsta’s Paradise” erschien erstmals von Coolio und L. V. am 1. August 1995 als Single. Musikalisch basiert “Gangsta’s Paradise” auf dem Lied “Pastime Paradise” von Stevie Wonder (Album “Songs in the Key of Life”).2 Mit anderen Worten: So unwahrscheinlich wäre es also gar nicht, dass Frank das Lied eingesungen haben könnte.

Quellen beide via Wikipedia:
[ 1 ] Francis Albert „Frank“ Sinatra.
[ 2 ] Gangsta’s Paradise.

Ich bin unentschlossen, was ich von dem AI Cover halten soll. Ich bin ein großer Fan von Sinatra. “Neue” Interpretationen “von ihm” zu hören, würde meine Sammlung erweitern und auffrischen. Einerseits. Und ja, es ist erstaunlich, wie nah diese per Software erzeugte Fassung von “Gangsters Paradies” an eine Version heranreicht, die von Frank Sinatra gesungen sein könnte (uff, das ist grammatikalisch nicht so einfach). Gleichwohl habe ich Bauchgrummeln. Hinsichtlich der Frage: Was können wir zukünftig glauben? Wie prüfen wir Echtheit? Vor allem geht mir der Tröt dabei nicht aus dem Kopf, den ich kürzlich via Mastodon las:

Humans doing the hard jobs on minimum wage while the robots write poetry and paint is not the future I wanted.

Karlo Sharro @KarlreMarks

Quelle: Tröt – eine datenfreundliche, automatisierte Kopie des Tweets.

Also doch lieber das Original von Robyn Adele Anderson in Begleitung der Postmodern Jukebox aus Queens New York. Es ist die Version, auf deren Basis Lace Editing mithilfe der KI ihre Abwandlung aufbauten. Hier steckt das Kreative und Innovative, die musikalische Kunst, ein Lied aus den Neunzigern in die Zeit der Zwanziger des letzten Jahrhunderts zurückzuversetzen und authentisch auf die Bühne zu bringen. Höre Dir beide Fassungen an. Es verdeutlicht, wie viel der Kreativität von Menschen sich die “künstliche Intelligenz” (also beim Begriff Intelligenz habe ich ja in diesem Zusammenhang grundsätzlich ein Problem) einverleibt hat und wie gering ihre “Eigenleistung” letztlich ist:

Was meinst Du dazu?

Soweit für heute! Bleib neugierig,
Franziska (handschriftliche Signatur)

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