Aus der Werkstatt

Wochenrückblick KW38 / 2021

veröffentlicht: 27.09.2021 · Franziska Köppe | madiko

Zeichnung eines Bunsenbrenners mit Kolben an einem Stativ, Reagenzglas mit Setzling und ein Prisma als Symbole für eine wissenschaftliche Werkstatt / Wissensarbeiter:innen. Dazu der Titel Aus der Werkstatt 2021.

Die Themen der Woche: Herausforderungen für die Akzeptanz nachhaltiger Unternehmensmobilität in KMU, Zeitwohlstand, Aktion bei stattys, OpenBikeSensor, Pilot-Projekt mit der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart zur nachhaltigen, digitalen Transformation, neue Rolle bei den Entrepreneurs For Future Stuttgart, Bio-Wochenmarkt Stuttgart und mehr

Aus der Werkstatt 2021
[ 2021 Franziska Köppe | madiko ]

Am Samstag Abend vergangener Woche – als ich meinen letzten Blogeintrag veröffentlichte – hatte ich mich noch sehr auf den Cargo Bike Day und Fancy Woman Bike Ride durch Stuttgart gefreut. Daraus wurde leider nichts. Ich bin selten verärgert über meinen weiblichen Körper. Dass er mir den Sonntag jedoch so verhagelt hat und das bei grandiosem Wetter, war alles andere als schön. Nun, ärgern bringt nichts, wenn ich an der Situation nichts ändern kann. Ich tröstete mich mit Klezmer über den Tag hinweg und setzte mich an ein zitatinte von Joseph Beuys, der dieses Jahr im Mai seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Das Zitat wird zumeist verkürzt zu “Jeder Mensch ist ein Künstler.”

Zeichnung (Tusche) von Joseph Beuys mit dem Zitat 'Jeder Mensch ist ein Träger von Fähigkeiten, ein sich selbst bestimmendes Wesen, der Souverän schlechthin in unserer Zeit. Er ist ein Künstler, ob er nun bei der Müllabfuhr ist, Krankenpfleger, Arzt, Ingenieur oder Landwirt. Da, wo er seine Fähigkeiten entfaltet, ist er Künstler. Ich sage nicht, dass dies bei der Malerei eher zur Kunst führt, als beim Maschinenbau.'. Bild: cc Franziska Köppe | zitatinte

zitatinte: Joseph Heinrich Beuys / Jeder Mensch ist ein Künstler
[ 2021-09-19 Franziska Köppe | zitatinte ]

Jeder Mensch ist ein Träger von Fähigkeiten, ein sich selbst bestimmendes Wesen, der Souverän schlechthin in unserer Zeit. Er ist ein Künstler, ob er nun bei der Müllabfuhr ist, Krankenpfleger, Arzt, Ingenieur oder Landwirt. Da, wo er seine Fähigkeiten entfaltet, ist er Künstler. Ich sage nicht, dass dies bei der Malerei eher zur Kunst führt, als beim Maschinenbau.

Joseph Heinrich Beuys

Dass ich mich mit Klezmer beschäftigte, war ebenfalls kein Zufall. Martin sprach mich letzte Woche an, ob ich Lust hätte, gemeinsam mit ihm (Bass) und Claudius (Klarinette) zu musizieren. Da musste ich nicht lange überlegen. Notenständer entstauben. Geige links. Bogen rechts. Ich freue mich sehr darauf! Und so werden wir im Oktober “Juli” spielen. Hat einen charmanten Witz.

"Juli"
[ 2015-05-05 David Orlowsky Trio | 04'24'' ]

Als mir Claudius die Noten brachte, war ein Teil der Lieder zwar im Violin-Schlüssel, doch gesetzt für B-Klarinette. Hm. Wie war das noch mal mit dem Transponieren? Klingend b ist notiert als c. Also alles einen Ganzton (große Sekunde) nach oben. Neue Vorzeichen dann über den Quintenschlüssel ablesen. Oh je, wie ging das noch gleich?! Meine Güte! Wissen, das ich geschätzte 25 Jahre nicht mehr gebraucht habe. Da ist erschreckend wenig hängen geblieben. Zum Glück gibt es YouTube und Nischen-Nerds. Danke.

Da ich keine Lust habe, die Noten händisch aufzumalen (zu fehleranfällig und dann musst du alles noch mal abschreiben. nee lieber nich.), suchte ich ein Notensatz-Programm. Ich wurde fündig: MuseScore, europäisch, Open Source. Wie genial ist das denn bitte?! MuseScore transponiert obendrein automatisiert. Da komm ich ja in Versuchung, es mir doch wieder zu vereinfachen… Lieber mehr Zeit ins Üben und Spielen investieren, als ins Noten-Sortieren und Notieren. ¯\_(ツ)_/¯

Mobilität mit Zukunft

Herausforderungen für die Akzeptanz
nachhaltiger Unternehmensmobilität in KMU

Am Dienstag Vormittag nahm ich an einem gut besuchten Workshop teil, der im Rahmen der Agora Verkehrswende von der Stiftung 2 Grad und dem Öko Institut organisiert wird. Der Wissens- und Erfahrungsaustausch drehte sich darum, die Herausforderungen für die Akzeptanz nachhaltiger Unternehmensmobilität in kleinen und mittelständischen Unternehmen zu identifizieren. Wir näherten uns über vier Themenfelder:

  • E-Mobilität & Ladeinfrastruktur
  • Car Policy (“Mobility Policy”)
  • Alternativen zum Dienstwagen
  • Wegevermeidung

E-Mobilität & Ladeinfrastruktur

Wollen wir die Klimakrise abmildern, müssen wir uns vom Verbrennungsmotor verabschieden. Also gilt es, die Pkw-Flotten auf elektrischen Antrieb umzustellen und die Ladeinfrastruktur voranzutreiben. Dadurch werden für viele Akteur:innen im Unternehmen Routinen aufgebrochen. Es entstehen neue Aufgaben und Schnittstellen – sowohl am Unternehmensstandort, bei Geschäftspartner:innen als auch am Lebensmittelpunkt der Arbeitnehmer:innen. Zudem gilt es, sich mit bestehenden Vorbehalten hinsichtlich Sicherheit, Praxistauglichkeit und Umweltbilanz der Technologie auseinanderzusetzen.

Car Policy / Mobility Policy

Für viele Unternehmen gewinnt das Thema Nachhaltigkeit an Bedeutung, auch hinsichtlich der Dienstfahrzeugflotte. Dies spiegelt sich in innovativen “Mobilitätsrichtlinien” wider. Wo sind Grenzen und Chancen für den unternehmensinternen Rahmen für Beschaffung und Nutzung von Dienstvehikeln? Wie verändern sich Statussymbole vom schicken Dienstwagen hin zum “Kleinen Schwarzen” – der BahnCard100? Es geht aber auch um Rahmenbedingungen, wie beispielsweise den Zeitdruck herauszunehmen und Zeitpläne flexibler zu gestalten, um nachhaltige Fortbewegung und muskelbetriebene Mobilität zu fördern.

Alternativen zum Dienstwagen

Nachhaltige Unternehmensmobilität ist mehr als die Transformation hin zu elektro-mobilen Pkw-Flotten. Arbeitgeber:innen müssen sich heute vermehrt die Frage nach Plan B zum klassischen Dienstwagen stellen. Vor allem an urbanen Unternehmensstandorten erscheint der Umstieg vom eigenen Auto auf Bus und Bahn wie auf Fahrrad und Sharing-Optionen attraktiv. Mal ganz davon abgesehen, ob wir überhaupt noch sämtliche Werktage in der Firma Präsenz zeigen müssen. Wie kann die letzte Meile gestaltet werden? Und wie sieht das Ganze dann im ländlichen Raum aus? Wie nehmen die Akteur:innen im Unternehmen diese Veränderung der betrieblichen Mobilität wahr und welche Hürden gilt es zu überwinden? Woran scheitern die Konzepte heute?

Wegevermeidung

Womit wir beim Thema wären: Arbeitswege ganz vermeiden. Corona hat gezeigt, dass virtuelle Zusammenarbeit die Zahl der Wege von und zur Arbeit oder von Dienstreisen drastisch verringern kann. Mit der digitalen Transformation und den Herausforderungen zur Sicherung der Lebensqualität für uns Menschen aufgrund des Klimawandels, stellen sich zudem Organisationen berechtigterweise die Frage, wie Kooperation und Kollaboration sinnstiftend und effektiv gestaltet werden soll.

Wie können und sollen die neuen Formen multilokalen Arbeitens organisiert werden? Welche Schwierigkeiten ergeben sich für Unternehmen und Mitarbeiter:innen? Wie kann sichergestellt werden, dass am Ende die Umwelt profitiert? Spätestens hier wird klar, dass wir über sozio-ökologische Veränderungsprozesse in der Gesellschaft reden. Denn es geht um mehr als nur Mobilität. Es geht um Fürsorge, um die Frage, wer den Haushalt schmeißt, wie groß die eigene Wohnung ist und ob sich eine Familie die technische Ausstattung fürs HomeOffice leisten kann. Wir sprechen hier also auch von sozialer Teilhabe und Armutsbekämpfung.

Ich hatte mich der vierten Gruppe angeschlossen (Wegevermeidung) und gewann viele interessante Anregungen. Mir gefiel ausgesprochen gut, dass wir uns die Zeit nahmen, alle Punkte zusammenzutragen, die uns im eigenen Erleben, aus Beobachtung und aus wissenschaftlichen Studien begegnen.

Wir waren eine Gruppe mit Vertreter:innen aus mittelständischen Unternehmen, aus Wissenschaft (Wirtschaftswissenschaft, Stadtplanung, Soziologie), Freiberufler:innen und Mobilitätsexpert:innen. Diese interdisziplinäre Mischung ermöglichte uns ein breites Spektrum an Perspektiven auf die Thematik. Entsprechend taten wir uns schwer, die Punkte zu clustern. Das kostete uns vermeintlich Zeit in der Diskussion. Ich beobachtete genau das jedoch mit Interesse, weil dadurch Beweggründe, Motive und Grundannahmen der Beteiligten zum Vorschein kamen. Sehr interessant.

Die vier Stunden Workshop waren kurzweilig. Die Moderator:innen exzellent vorbereitet. Alles lief interaktiv und mit hoher Wertschätzung. Zu meiner besonderen Freude dokumentierten wir unsere Ergebnisse übrigens via Conceptboard. Ich freue mich auf die Doku und dann die Fortsetzung im Oktober. Dann werden wir uns mit den Lösungen zu den von uns in den Gruppen zusammengetragenen Problemfeldern beschäftigen. Da wir kein geschlossener Kreis sind, kann man sich weiterhin einklinken: Entwicklung konkreter Lösungsansätze für eine verbesserte Akzeptanz nachhaltiger Unternehmensmobilität.

OpenBikeSensor

Bleiben wir gleich noch einmal bei nachhaltiger Mobilität. Eines der größten Hinderungsgründe für Fahrradmobilität ist die objektive und die subjektiv wahrgenommene Sicherheit im Straßenverkehr. Ein Thema, das ich ja ebenfalls mit anderen gemeinsam zum Besseren wenden möchte. OpenBikeSensor, unser OpenCitizenScience-Projekt rund um die Abstandsmessung für Fahrradfahrende, erwacht aus dem Sommerloch. Es ist noch immer recht ruhig. Ich gehe jedoch davon aus, dass es ab Oktober dann wieder reger bei uns zugehen wird.

OpenBikeSensor: Überholabstandsmesser des ADFC Baden-Württemberg. Bild: copy Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club Baden-Württemberg e.V. / Foto: Benedikt Glitz

OpenBikeSensor: Überholabstandsmesser des ADFC Baden-Württemberg
[ 2021-09-16 Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club Baden-Württemberg e.V. / Foto: Benedikt Glitz ]

Für die Baden-Württemberger gibt’s dazu eine sehr gute Neuigkeit. Der ADFC startete im Rahmen der Kampagne Anderthalbmeter die Aktion Mit Abstand sicher. Aktuell werden Freiwillige aus Ulm und dem Bodenseekreis gesucht, die sich den Sensor ans Fahrradl schnallen und (offene) Daten sammeln. Angestrebt wird eine flächendeckende Datensammlung für unsere Open Street Map. Ab November folgen weitere Kommunen.

Zeitwohlstand

Am Mittwoch hatte ich ein intensives wie inspirierendes Gespräch mit Stefan Boes. Stefan ist freier Autor und schreibt unter anderem für Perspective Daily. Ich mag seinen Schreibstil und interessiere mich für seine Themen “Zeit gestalten” und “Arbeit”.

Ende August hatte er seinen Artikel Zeitwohlstand für alle! Wie wir endlich tun, was uns wirklich wichtig ist veröffentlicht. Sehr lesenswert! Ich nahm das zum Anlass, mich mit ihm in Verbindung zu setzen. Darin kündigte er nämlich auch sein Buch Zeitwohlstand für alle an (Vorbestellungen über diesen Link schon möglich). Im Gespräch loteten wir eine Zusammenarbeit aus. Ich freue mich, was hier gemeinsam entsteht. Sobald ich darüber sprechen kann, lass ich es wissen.

Derweil empfehle ich, “Speed” von Florian Opitz – das gibt’s als Buch und als Dokumentation.

Aktion bei stattys

Finnovations entwickeln sich weiter. Ich hatte kurz Kontakt zu Mikko. Das klingt alles stimmig und spannend, wie er das Geschäftsmodell rund um “make ideas move” weiterentwickelt. Ich drücke fest die Daumen, das es gelingt!

Diese Woche trudelte der Newsletter ein, der auf eine Aktion hinweist, für die ich gern werbe: Stattys – alles muss raus. Gib bei der Bestellung einfach #EnjoyWork an. Dann wissen Conni und Mikko Bescheid ;-)

EnjoyWork Camp: Aufwärm-Übung

EnjoyWork Camp: Aufwärm-Übung "Gesichtermaler" (mithilfe von stattys)
[ 2017-11 EnjoyWork | madiko, Foto Raisa Durandi ]

Pilot-Projekt
mit der Wirtschaftsförderung
Region Stuttgart

Nach einer pandemie-bedingt sehr langen Pause nahmen wir von den Entrepreneurs For Future Stuttgart (E4F Stuttgart) unsere Gespräche mit der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart (WRS) wieder auf. Was mich daran besonders freut: Bisher waren es Sondierungsgespräche, Wissens- und Erfahrungsaustausch, Beratung unsererseits für die WRS. Nun zünden wir gemeinsam die nächste Stufe und gehen in die Umsetzung. HALLELUJA!

Ein Pilot-Projekt konkretisiert sich. Thema: “Wie wir auch in digitalen Welten nachhaltig und souverän agieren können”. Dazu in Bälde mehr. Ich freue mich in jedem Fall schon sehr darauf, dass wir mit Menschen aus kleinen und mittelständischen Firmen näher an den Unternehmensalltag herankommen und dort konkret Impulse setzen und begleiten können.

Wenn ich ehrlich bin: Es wurde für mich Zeit, dass sich hier etwas bewegt. Mir ging nämlich die Motivation aus. Nun ist sie wieder aufgeladen und ich bleibe in diesem Projekt dran.

Neue Rolle
bei den E4F Stuttgart

Ungeachtet dessen ist bei mir die Entscheidung gereift, mich aus dem Kernteam der E4F Stuttgart zurückzuziehen. Der Bundestagswahlkampf gab mir den letzten Rest hat mir aufgezeigt, dass ein Unterstützen und Fördern von politischer Meinungsbildung nicht mein Metier ist. Selbst dann nicht, wenn es so partizipativ und integrierend angelegt ist, wie wir es für die E4F Stuttgart entwickelten. Ich sage es ja auch nicht zum ersten Mal: Ich fühle mich mit Lobby-Arbeit einfach nicht wohl. Sie kostet mich unendlich Kraft. An anderen Stellen brauche ich viel weniger Anstrengung und erreiche deutlich mehr.

Ich werde das Team und unsere Zusammenarbeit vermissen. Das schon. Ich bereue nicht, meinen Beitrag zur “Klimawahl” geleistet zu haben. Es braucht diese Arbeit. Ich bin sehr froh, dass es Menschen gibt, die sich für politische Willensbildung, Aufklärung und ein Ermächtigen der Bürger:innen einsetzen. Ich ziehe tief meinen Hut! Ich werde auch weiterhin Petitionen und Aktionen unterstützen.

Gleichwohl macht es für mich Sinn, mich den Dingen zuzuwenden, die ich gut kann und die mir Spaß machen. Man lebt schließlich nur ein Mal und die Lebenszeit und eigenen Talente wollen klug eingesetzt sein.

Bio-Wochenmarkt Stuttgart

Regelmäßig am zweiten und vierten Freitag im Monat findet auf dem Marienplatz der “Bio-Wochenmarkt” statt. Gestartet wurde die Aktion im April. Im Juli hatte ich gezielt nach “Biomärkte” gesucht, weil ich mich aufschlauen und mein Einkaufsverhalten justieren wollte. Dann kam mein Urlaub. Dann irgendetwas anderes dazwischen. Dann vergass ich es wieder. Dann verpeilte ich das mit den Terminen. Kurzum: Ich war erstmalig am Freitag dort. Zwei Gemüse-Stände (Demeter und Bioland), Bäckerei, Käserei, Metzger:in, Winzer:in, Kaffee-Lastenrad, Imker:in, Gärtner:in – es ist ein kleiner, jedoch sortiments-umfassender Markt. Von den Preisen her fand ich es vergleichbar mit anderen Angeboten von beispielsweise Naturgut.

Während ich meine frisch geernteten Äpfel zahlte, kam ich mit einem der Biobauern ins Gespräch. Es war ernüchternd. Er war – gelinde gesagt – frustriert. Sie stehen kurz vor Aufgabe. Im Grunde haben sie höhere Personalkosten als Einnahmen. Die Kundschaft bleibt aus – sowohl die Laufkundschaft als auch die regelmäßigen Wiederkehrer:innen. Zu unregelmäßig die Termine des Marktes. Zu klein das Angebot. Denn im Gegensatz zu den anderen Wochenmärkten verlieren sich die Stände auf dem großen Platz.

Er sieht zudem wenig Aussicht, dass sich an dieser Situation etwas ändert. Sie erhalten keinerlei Unterstützung durch die Stadt in der Vermarktung. Das ist mir ja schon daran aufgefallen, dass ich eine sehr hohe intrinsische Motivation brauchte, mich aufzuschlauen – statt mit Informationen in meinem Quartier darauf aufmerksam gemacht zu werden. Es wird noch schlimmer: Im Rathaus behindert man Aktionen der Händler:innen oder sie treffen auf eine überhebliche Arroganz. Ich spare die konkreten Geschichten hier aus. Dazu hohe Standmieten. Das passt alles vorn und hinten nicht zusammen.

Es enttäuscht mich maßlos. Ich kann seine Verärgerung gut verstehen. Und auch, dass sie nicht unendlich durchhalten entgegen aller wirtschaftlicher Vernunft, um in der Gesellschaft etwas in Sachen biologischer Landwirtschaft und nachhaltigem Konsum zu bewegen. So schaffen wir die Klimakrise jedenfalls nicht.

In diesem Sinne: Liebe Leser:in, lieber Leser, tippe mal bei ecosia “Biowochenmarkt” plus Deine Heimatstadt ein und schau, ob Du nicht Deinen lokalen Händler unterstützen kannst. Die Transformation schaffen wir nur gemeinsam.

Zuguterletzt

Während ich die letzten Gedanken aufschrieb, wählte Deutschland seine neue Bundeskanzlerin (m/w/d). Da es mir am Sonntag nicht mehr reichte, den Artikel zu publizieren (ich hole das heute nach), kann ich auf die Ergebnisse kurz eingehen: Der erhoffte Links-Rutsch ist ausgeblieben. Der Klimawandel führt die Mehrzahl der Menschen in die kognitive Dissonanz. Harald Welzer hätte es nicht besser ausdrücken können:

Vor etwas mehr als einem halben Jahrhundert hat der Psychologe Leon Festinger die Theorie der “Kognitiven Dissonanz” aufgestellt. Die bedeutet: Wenn eine unangenehme Spannung zwischen einer Überzeugung und einer Information erlebt wird, was macht man: man interpretiert die Information so, dass man mit ihr leben kann. Deshalb vermeiden zum Beispiel Raucher Nachrichten über Lungenkrebs zur Kenntnis zu nehmen oder Menschen, die in der Nähe von Atomkraftwerken leben, halten Atomkraft für ungefährlicher als Menschen die weit entfernt von ihnen leben.

Genau das zeigt diese Wahl: Denn je offensichtlicher die Folgen des Klimawandels sind – also die Waldbrände am Mittelmeer, in Sibirien, Kalifornien und so weiter, die Flutkatastrophe in Deutschland – desto weniger wählt man die, die vor dem Klimawandel warnen. Und lieber die, die trotz aller gegenteiliger Zeichen versprechen, dass alles so weitergehen kann wie bisher.

Paradoxerweise bewirken also alle Fridays for Future Demos, alle Getas und Luisas und alle IPCC-Berichte das Gegenteil von dem, was man meinen sollte. Sie bewirken die Abwendung der Menschen vom Problem. […]

Wir haben ja schon vor der Wahl die Analysen gesehen, dass kein einziges Wahlprogramm – nicht einmal das der Grünen – hinreichend für das Erreichen der Pariser Klimaziele wäre. Alle Parteien suggerieren sich selbst und ihrem Wahlvolk permanent, dass Klimaschutz und wachsender Wohlstand prima zusammen gehen. Sie singen den Dauer-Hit von grünem Wachstum und den fantastischen wirtschaftlichen Aussichten durch Green Technology.

Aber Wirtschaftswachstum und wirksamer Klimaschutz schließen sich leider aus, weil Wachstum immer gesteigerten Verbrauch und damit mehr Ressourcen, mehr Energie, mehr Müll bedeutet. Also liefern eigentlich alle Parteien Lehrbuch-Beispiele für die Theorie der “Kognitiven Dissonanz”. Sie ändern nicht die Wirklichkeit sondern ihre Deutung der Wirklichkeit: “Heute machen wir weiter und 2050 sind wir dekarbonisiert.”

Der Sozialpsychologe kommt daher zu folgender Diagnose: Diese Wahl dokumentiert eine kollektive Wirklichkeits-Verweigerung. Die Deutschen und ihre Parteien bilden eine vollkommen harmonische Illusionsgemeinschaft.

Harald Welzer

Quelle: Wahlkampfthema Klima – doch die Grünen profitieren nicht davon.
Maximilian Ulrich und Mareile Scheidemann im Gespräch mit dem Soziologen Harald Welzer in “Wissen.Denken.Meinen.” via radio eins.

Mein Rückschluss daraus ist: Es ist wichtig, den Menschen die Wahrheit zuzutrauen. Sie nicht einzulullen in falsche Tatsachen und die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen. Ihre Ängste, Sorgen und Nöte in der Transformation ernst zu nehmen, statt sie zu schüren. Und schließlich, sie zu ermächtigen, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen und sie in der Umsetzung zu unterstützen. Lösungen aufzuzeigen. Inspirieren. Dann schaffen wir das auch.

Wie denkst Du darüber? Fragen? Anregungen? Wünsche? Ich freue mich auf den weiteren Austausch!

Bleib neugierig,

Hast Du eine Anregung gefunden?

Ich setze mich für den freien Zugang zu Wissen ein. Dieser Artikel zahlt auf das Ziel ein.
Bitte teile ihn in Deinem Netzwerk und werfe Geld in meinen virtuellen Hut.
Auch ein kleiner Betrag macht den Unterschied!

Neugierig was mit Deinem Geld passiert?
Mit der Schwarm-Finanzierung (einmalig via PayPal oder kontinuierlich via steady)
wirst Du Teil der Bewegung und Kooperative WandelMut.

Vielen Dank!

Mehr davon?

Weitere Beiträge “Aus der Werkstatt” findest Du in der Komplettübersicht für alle Jahre.
Hier die neuesten:

Adieu Andreas

2024-02-08

Mein persönlicher Nachruf auf Natenom – lang-jähriger Freund, Weggefährte und Verbündeter im Bestreben, Fahrrad-Fahren in Deutschland sicherer zu machen. Welch Tragik in diesem Satz steckt. Doch von vorn…

Aus der Werkstatt [ KW51 ]

2023-12-22

Die Themen der Woche: Jahres-Endspurt mit Organisatorischem, Sortieren, Lochen, Scannen, Ablegen und Ausmisten. Strukturen und Prozesse für 2024 anlegen. Reflexionen zu meiner Informations-Sammel-Wut als Auftakt zur Besserung hinsichtlich der all-jährlichen Zettel-Wirtschaft. WandelMut: keine Neuigkeiten sind gute Neuigkeiten. Scientists For Future 2024: Ankündigung und Angebote zum Wissens- & Erfahrungsaustausch – inklusive Abwägen der Neuausrichtung unserer Rolle(n). Podcast-Liebe: Kreative Blockaden erkennen und auflösen – Analyse und Lösungsansätze. Zuguterletzt: Endlich ein neues zitatinte.

Aus der Werkstatt [ KW50 ]

2023-12-16

Die Themen der Woche: Keine drehenden Teller für mich: COVID-19 ist nicht vorbei – die gemeinschaftliche Fürsorge von Vulnerablen sowie Eigenschutz. REXlive am Lagerfeuer: REDAXO und Maschinen-Lernen. Mein Engagement für quell-offene Programme: GitHub ausgepackt. Verkehrssicherheit für Radfahrende: zum aktuellen Stand von OpenBikeSensor. PodcastLiebe: WandelMut beim Tagesspiegel, mediasres zu künstlicher Intelligenz. Rechtsanwälte sind die wahren Künstler:innen: konstruktiver Aktionismus vom Zentrum für politische Schönheit. Zuguterletzt: 199 kleine Held:innen.


Ausblick & Flurfunk

Meine Berichte aus der Werkstatt erscheinen unregelmäßig. Ich strebe an, alle ein, zwei Wochen von meiner Arbeit und dem, was mich beschäftigt, zu erzählen. Meine Erkenntnisse und Einsichten zu teilen.

Klingt interessant und Du möchtest auf dem Laufenden bleiben?
Bitte trage Dich in meinen Flurfunk ein, abonniere meinen Web-Feed und folge mir via Social Media.

Interesse geweckt?

Klingt interessant und Du möchtest mehr erfahren? Buche direkt einen Termin mit mir und / oder werde Teil unserer Bewegung:

Ein erstes Kennenlernen

und ins Gespräch kommen
(gratis, jedoch nicht umsonst)

Direkt-Einstieg: Dein Anliegen klären

Ad-hoc-Beratung und Rückenwind für Dein Vorhaben (Mein Honorar bestimmst Du)

Teil der Bewegung werden

Werde Teil der Kooperative WandelMut (Schwarmfinanziert & WertVerträge)