Adieu Andreas

veröffentlicht: 07.02.2024 · Franziska Köppe | madiko

Holz-Tisch mit einer brennenden Kerze und einer weißen Rose. Davor liegt ein Gerät zur Abstands-Messung vom Projekt OpenBikeSensor. Es ist das persönliche Gerät von Andreas Mandalka aka Natenom und trägt daher sein Logo.

Mein persönlicher Nachruf auf Natenom – lang-jähriger Freund, Weggefährte und Verbündeter im Bestreben, Fahrrad-Fahren in Deutschland sicherer zu machen. Welch Tragik in diesem Satz steckt. Doch von vorn…

Nachruf Andreas Mandalka aka Natenom
[ 2024-02-01 OpenBikeSensor ]

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Eine Gedenk-Seite der Community findest Du via natenom.openbikesensor.org

Es ist Dienstag Abend, 30. Januar 2024. Auf der Landstraße L574 von Neuhausen nach Schellbronn im Süden Pforzheims fährt ein Mann (43) auf seinem Rad nach Hause. Es ist bereits dunkel. In seiner Warnweste ist er gut sichtbar. Und dennoch rast ein Autofahrer von hinten mit voller Wucht in ihn hinein. Er wird auf die Frontscheibe des Fahrzeugs und in der Folge über dieses hinweg geschleudert. Trotz Wiederbelebungs-Maßnahmen verstirbt er noch an der Unfallstelle aufgrund schwerster Verletzungen.1

Mich erreicht die Nachricht, um wen es sich hierbei handelt, am Donnerstag Nachmittag. Es ist Natenom, ein lang-jähriger Freund, Weggefährte und Verbündeter in Sachen “Vision Zero” (keine Verkehrstoten). Ich bin geschockt. Dennoch gelingt mir, am Abend eine Veranstaltung der Scientists For Future Stuttgart zu moderieren. Unkonzentriert und stets nah am Wasser gebaut zwar, doch verläuft das Regional-Treffen gut. Es sind Freunde da. Das gibt mir Kraft.

Seither versuche ich, die Neuigkeiten zu verarbeiten. Da mir dies stets besser gelingt, wenn ich meine Gedanken aufschreiben kann, widme ich meine folgenden Zeilen aus tiefsten Herzen Andreas. Sein Tod ist noch frisch. Meine Gedanken konfus. Ich bitte daher um Nachsicht, wenn Du mir auch auf dieser Reise des Verstehen folgst.

1 Quelle: Meldung der Pforzheimer Polizei (abgerufen 2024-02-07)

Kennenlernen

2012

Meine erste Begegnung mit Natenom war 2012. In Tübingen fand die Auftakt-Veranstaltung für das regionale Programm der von uns neu ins Leben gerufenen Initiative des Verkehrs-Ministeriums Baden-Württembergs statt. Bei dieser “Pilot-Rad-Fahrt” von “RadKULTUR Baden-Württemberg” fuhr Andreas Mandalka neben mir. Wir kamen ins Gespräch. Andreas fragte mich tausend Sachen. Er wollte alles ganz genau wissen. Intensiv redete er auf mich ein, dass alle kommunikativen Schönwetter-Maßnahmen der Kampagne nichts bringen, wenn die Infrastruktur fahrrad-feindlich und lebens-gefährlich bliebe.

Ich konnte ihm versichern, dass wir vom Kampagnen-Team der Initiative seine Auffassung teilen und dahingehend auf Minister Winne Hermann und das Ministerium für Verkehr BaWü, die Nahverkehrsgesellschaft des Landes und die Arbeitsgemeinschaft Fahrrad-Freundlicher Kommunen einwirken. Ich sagte ihm dabei auch, dass wir davon überzeugt sind, dass es kulturelle Veränderungen geben muss. Denn was nützt Infrastruktur und Gesetz-Gebung, wenn die Maßnahmen sich nicht in der Bevölkerung durchsetzen?

Dabei war uns allen klar, dass an den Minister, selbst Alltags-Radler, nicht appelliert werden musste. Es waren die anderen politischen Akteure. Es waren die Verantwortlichen für Stadtplanung, Verkehrsplanung und Infrastruktur. Es waren die Umsetzer der Exekutive (einschließlich der Polizei), die überzeugt werden mussten. Und schließlich die Auto-Fahrenden, die auf ihre vermeintlichen Vorrechte im Straßen-Verkehr pochten.

Von Anfang an war uns allen klar, dass wir hier “dicke Bretter” bohren. Die Auto-Lobby scheint weiterhin enorm einflussreich in Baden-Württemberg und Deutschland. Winne Hermann und alle Mitstreiter:innen der Kommunen der Kampagne vor Ort hatten aus allen Seiten starken Gegenwind – aus der Fahrrad-Community als auch von politischen Gegnern. Das machte die Sache nicht gerade einfach.

Davon ließen wir uns nicht entmutigen. Wir waren sinn-gekoppelt und voller Tatendrang. Gemeinschaftlich wollten wir zur Verbesserung der Situation für den Langsam-Verkehr – zu dem ferner Zu-Fuß-Gehende zählen – beitragen. Andreas konnte das überzeugen. Er blieb kritischer Begleiter der Kampagne, war ihr gegenüber jedoch offener als zu Beginn unseres Gesprächs. Zumindest kann ich das schreiben für die Zeit, für die ich im RadKULTUR-Team mitarbeitete (bis Ende 2012). Es waren die Anfänge unseres gemeinsamen Wirkens in der Öffentlichkeitsarbeit pro Fahrrad-Freundlichkeit.

Annähern und schätzen lernen

2013 ... 2019

Von dieser ersten Begegnung im Sommer 2012 an blieben Natenom und ich in Kontakt. Wir verknüpften uns gegenseitig via Twitter. Regelmäßig tauschten wir uns aus – virtuell und telefonisch.

Natenom zu folgen, war nicht immer leicht. Schonungslos und direkt beschrieb er die angespannten Situationen in der Begegnung mit radikalen Auto-Fahrenden. Wenn er von “Fahrrad-Mordor” berichtete, hielt ich den Atem an und war froh, dass es dieses Mal gut gegangen war.

Im Video ist die Situation zu sehen, in der auf einer Landstraße ein von hinten heran-nahendes Fahrzeug zuerst hinter mir abgebremst wird, da Gegen-Verkehr kommt, der Fahrzeug-Führende dann aber sofort wieder Gas gibt, die Hupe aktiviert und dauer-hupend und trotz des Gegen-Verkehrs so überholt, dass er mich erwischt hätte, wenn ich nicht stark ausgewichen wäre.

Natenom

Es gab Phasen, da wurde mir das zu viel. Dann pausierte ich und mutete seinen Account. Er wusste das. Wir waren diesbezüglich offen miteinander. Während er schonungslos aufzeigte, wie er körperlich bedroht und verbal angegriffen wurde, setzte ich mich dafür ein, dass die optimistischen, die schönen Seiten des Alltag-Radelns sichtbar werden. In gewisser Weise waren wir wie Yin und Yang der Fahrrad-Kultur.

Natenom brachte eine Faszination für meinen Blickwinkel mit. Nachdem wir uns über die Jahre kannten und schätzen gelernt hatten, hatte er so viel Vertrauen gewonnen, mich persönlich anzusprechen und mit mir in den Wissens- und Erfahrungs-Austausch zu gehen. Er wollte genau verstehen, was ich tat. Warum ich das tat. Wie ich es tat. Er bat mich wiederholt um ein Telefonat. Für mich war schön zu sehen, dass Andreas das, was er sich mit mir gemeinsam erarbeitete, stets in die Tat umsetzte. Eine Eigenschaft, die ihn in besonderem Maße auszeichnete.

So fing Natenom an, öfter über die bereichernden, die heiteren Seiten des Radfahrens zu schreiben. Er postete Bilder von seiner Pausenbank. Er öffnete seinen Plogifanti-Account. Er postete Natur-Fotos seiner Rad-Touren.

Ländlicher Raum im Sonnen-Untergang. Der Himmel strahlt gold-rot. Im Vordergrund eine geschwungene Sitz-Liege-Gelegenheit aus Holz, die zum Verweilen einlädt. Die Bäume ragen ihre kahlen Äste in die kühle Januar-Luft.. Bild: copy Natenom

Pausenbank
[ 2024-01-29 Natenom ]

Unsere Gespräche waren enorm anstrengend. Bis wir irgendwann über unsere Gespräche selbst sprachen. Als Natenom mir sagte, er lebe im Autismus-Spektrum, machte es bei mir Klick.

Jede:r Autist:in ist eine einzigartige Persönlichkeit. Ich nehme Menschen wie sie sind. Das war es nicht. Indes verstand ich, warum Andreas bei allem so detailliert nachfragte. Warum er alles bis ins tiefste Detail wissen wollte. Warum er eine Fülle an Argumenten in Leichter Sprache brauchte. Warum er jeden Begriff, jede Information und jede Aktion genau erklärt, mit (wissenschaftlichen) Fakten belegt und begründet haben wollte. Warum er Affekte kaum steuern konnte. Und warum er zuweilen recht direkt und unverblümt war, was mich vor den Kopf stoßen und verletzen konnte.

Über mehrere Runden fanden wir schließlich einen Weg, unsere Gespräche und den Austausch für uns beide besser zu gestalten. Ich danke Andreas für seine Offenheit und seine Geduld mit mir. Er hat es mir damit leichter gemacht, mit seinen Eigenarten und seinem Charakter besser klarzukommen. Und letztlich hat er mir die Tür zu Barriere-Freiheit auf einer neuen Dimension geöffnet.

Hatte Natenom etwas verstanden, war er der loyalste und tatkräftigste Unterstützer, den man sich wünschen konnte. Als ich ihm im Sommer 2019 von einem neuen Projekt zur Verbesserung der Sicherheit für Rad-Fahrende erzählte und wir all seine Fragen klären konnten, unterstützte er mich, das Projekt bekannt zu machen. Zu diesem Zeitpunkt hieß es noch “RadmesserS” – in Anlehnung an unser Vorbild den Radmesser aus Berlin vom Tagesspiegel.

Gemeinsames Engagement für OpenBikeSensor

2019 ... 2021

OpenBikeSensor ist ein zivil-gesellschaftliches Forschungs-Projekt. 2019 formulierten wir es so:

Wir sind eine Gruppe von aktiven Alltags-Radler:innen und möchten Rad-Fahren sicherer und populärer machen. Überall! Wie oft passiert es uns, dass uns ein Auto beinahe vom Sattel holt? Was wir alle kennen, überprüfen wir nun wissenschaftlich. Dazu haben wir einen Sensor entwickelt, der den Abstand misst und Überhol-Manöver Geo-Daten zuordnet. Wo ist es sicher? Wo nicht? Welche Uhrzeit? Welche Strecken? Der Sensor soll helfen, das zu erkennen und zu belegen.

OpenBikeSensor

Natenom war einer der ersten Mitstreiter im Projekt. Seine Art, detailliert und genau nachzufragen, half uns im Erarbeiten erster Texte und des obigen Videos. So entstanden beispielsweise unsere Antworten auf häufige Fragen mit seiner Unterstützung. Er sammelte zudem Rückmeldungen aus seiner eigenen Fahrrad-Community und gab sie an uns gebündelt weiter. Er teilte wiederum unsere Tweets, Tröts und Neuigkeiten – sorgte so mit mir gemeinsam für eine hohe Bekanntheit. Ferner trug er in vielerlei Hinsicht zu Verbesserungen unserer Bau-Anleitungen und der Dokumentation rund um OpenBikeSensor bei. Vor allem war er (mir) mahnende Stimme, die Texte in einfacher, leicht zu verstehender Sprache zu verfassen.

Natenom war seit 2019 beim OpenBikeSensor aktiv, als Tester der ersten Geräte, kreativer Kopf, Gründungsmitglied des Vereins und Freund. Er war einer der ersten OpenBikeSensor-Fahrer außerhalb Stuttgarts. Er plante mit den Entwicklern neue Features und unterstützte durch intensive Feldtests. Es gibt noch immer Ideen für die Zukunft von ihm in den Projekt-Plänen. Bei den Community-Treffen war er stets als Fahrer fleißig dabei – und hat dort auch oft von seinen Erlebnissen im Straßenverkehr berichtet. Viele Aktive beim OpenBikeSensor kennen ihn aus diesen Community-Treffen, manche sind erst durch seine Blog-Beiträge auf den OpenBikeSensor aufmerksam geworden. 2021 hat Natenom den OpenBikeSensor e.V. mitgegründet.

OpenBikeSensor

Nachruf auf Natenom via OpenBikeSensor
[ kleinere Verbesserungen zugunsten der Lesbarkeit und Barriere-Freiheit, A.d.R. ]

Seinen ersten eigenen Beitrag zum Projekt – damals noch unter dem Namen RadmesserS – veröffentlichte Natenom Ende Juli 2019: Natenom fährt jetzt mit dem Abstandsmesser „RadmesserS“ von Zweirat Stuttgart. Ich erinnere mich gut, wie wir den Text vorab durchgingen und ich ihm die ein oder andere offene Frage beantwortete. Wie akribisch er war, sieht man an diesem Blog-Beitrag. Darin beschreibt er auch seine Motivation, sich am Projekt zu beteiligen:

Warum eigentlich?
Ich mache das aus mehreren Gründen:

  • Ich möchte „echte“, gemessene Daten haben, statt theoretisch errechnete.
  • Ich möchte feststellen, ob es nur einen gefühlten oder echten Unterschied gibt beim Überholtwerden mit und ohne Abstandshalter und wenn, dann in welcher Größenordnung.
  • Ich möchte Dokumentation für das Projekt erstellen, damit möglichst viele Menschen so einen Abstandsmesser nutzen können.
  • Und dann kann man diese Daten in Gesprächen mit Stadt, Polizei usw. nutzen.
  • Und dann auch noch, weil man mir die Möglichkeit gegeben hat und ich es kann :)

Natenom

Seither verfasste Natenom Berichte und Neuigkeiten zum OpenBikeSensor. Besonders schön empfand ich seinerzeit seine große Freude, als wir ihm einen Sensor mit seinem Logo zukommen ließen. Basteln war nicht so seins. Dafür testete er ausgiebig und sorgte über seine Rückmeldungen für ein stetes Weiter-Entwickeln des Projektes. Regelmäßig nahm er an den Treffen teil, brachte sich – seiner Sprach-Barrieren und seiner Menschen-Scheuheit zum Trotz – aktiv ein. Darin liegt ein Schlüssel, wieso sein Tod so viele aus der Gemeinschaft der Fahrrad-Fahrenden bewegt.

OpenBikeSensor mit Natenom-Logo. Bild: cc Natenom

OpenBikeSensor mit Natenom-Logo
[ 2021-03-17 Natenom ]

Natenoms Engagement

... und seine gesellschaftliche Wirkung

Ich fahre […], weil es für mich die einzig mögliche Mobilität ist. Mit dem Fahrrad kann ich Einkäufe erledigen, Termine wahrnehmen und sonstige Dinge tun. Nur selten mache ich große Fahrrad-Touren. Immer mal wieder bezeichne ich im Nachgang Radfahrten als „Tour“, aber im Prinzip sind es fast immer Alltagsfahrten.

Trotzdem habe ich jedes Mal Freude am Radfahren. Das erkennt man z. B. daran, dass ich immer wieder grinse und lache wie ein Honigkuchenpferd, wenn ich es […] aufs Rad geschafft habe, unterwegs bin und mich an verschiedenen Dingen erfreue. […]

Als ich angefangen habe, Fahrrad zu fahren […] ging es mir darum, etwas Schönes zu erleben und die Umgebung zu erkunden. Später dann, als Fahrrad-Fahren zu meiner Alltagsmobilität wurde, hat sich das geändert. Wenn ich auf ungefähr zwanzig Fahrten im Monat hin und zurück zum vierzigsten Mal im Monat dieselbe Strecke befahre, dann geht es mir nicht mehr darum, die reizvolle Landschaft zu genießen, sondern darum, dass ich irgendwann ankomme.

Es ist zwar immer noch interessant, wie sich die Landschaft über die Jahreszeiten hinweg entwickelt, dass es verschiedene Düfte gibt und vieles mehr […] Ich kann mich auch immer wieder daran erfreuen. Aber das erlebt man nebenbei. Hauptziel ist für mich die Erledigung meines Alltags.

Natenom

Miteinander reden statt übereinander :) – Antwort auf Kommentar eines Radfahrers aus der Nachbarschaft
[ kleinere Verbesserungen zugunsten der Lesbarkeit und Barriere-Freiheit, A.d.R. ]

Natenoms Hingabe fürs Rad-Fahren und seine verkehrs-politischen Aktionen richteten sich darauf, die Zahl der Verletzten und Toten zu minimieren. Als Alltags-Radler setzte er sich unermüdlich für gleiche Rechte und Pflichten im Straßen-Verkehr ein. Er forderte, zügig, stress-frei und sicher seine Wege zurücklegen zu können. Er mahnte schlechte, ungepflegte und lebensbedrohliche Infrastruktur an.

Nur zwei seiner letzten Beiträge im Januar: “Eine von den Verantwortlichen entschärfte Gefahrenstelle ist auch weiterhin eine Gefahrenstelle” und “Keine Rückmeldung, keine Hinweise, kein Interesse an Radfahrern”. Leider hatte er dazu reichlich Anlass. Nichts passiert… Stattdessen sah er sich persönlichen Anfeindungen gegenüber. Nicht selten übten die lokalen Auto-Fahrenden motorisierte Gewalt an ihm aus.

Er scheute sich dabei nicht, sein Recht zu vertreten und die Ergebnisse seines Bemühens zu publizieren – insbesondere wenn seine Kommune mit “Pforzheimer Maß” zugunsten von Auto-Fahrenden entschied, wie beispielsweise in diesem Fall: “Laut Gutachter sind das 1,4 m Abstand – StVO verlangt 2 m – Gericht stellte Verfahren trotzdem ein”.

Unsereiner reibt sich die Augen. Wie kann das sein?

Das Gesetz, das außerorts einen Abstand von mindestens zwei Metern beim Überholen von Radfahrern vorschreibt, gilt erst seit April 2020, da kann man nicht von jedem verlangen, das zu wissen, auch nicht von der Polizei.

Natenom

Tröt zum Überhol-Abstand Polizei, veröffentlicht 2023-11-11

Foto einer Dash-Cam. Ein Rad-Fahrender wird von einem Polizei-Auto so eng überholt, dass das Fahrzeug den Rad-Fahrenden fast berührt.

[ Foto: Natenom ]

Diese traurige Auflistung ließe sich fortführen. Für mich offenbart sich damit das gesamte Ausmaß an strukturellen Problemen des Individual-Verkehrs. Über Gewalt wurde versucht, Natenom in seinen gesetzlichen Rechten zum Gehorsam zu zwingen. Gehorsam im Sinne einer Vormacht des Stärkeren qua Blech und Masse. Dabei war Andreas bei weitem nicht der Einzige, dem diese rohe Gewalt im Straßen-Verkehr begegnet. Jede:r Alltags-Radler:in kennt diese Situationen. Wir alle erleben immer wieder das Gefühl, dem Tod nur knapp entgangen zu sein. Leider.

Ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht im Straßenverkehr? Zuweilen frage ich mich, was von Paragraph 1 der Straßen-Verkehrs-Ordnung in der Realität geblieben ist. Als Fahrrad-Community nehmen wir dies nicht hin. Genau diese Verhältnisse gilt es zu ändern. Wir alle als Gesellschaft profitieren davon. Auch ich ziehe einen großen Teil Motivation, mich für klima-freundliche, sichere Mobilität einzusetzen, aus der Vorstellung freudig, entspannt, gesund und sicher anzukommen – zu Fuß, per Rad oder jedem beliebigen Fortbewegungsmittel meiner Wahl.

Natenom hat die Missstände transparent und unübersehbar gemacht. Damit hat er leider viele Feinde heraufbeschworen. Dennoch war er offen, mit ihnen dazu in den Dialog zu treten. Ein Versuch, sich und sein Handeln zu erklären: “Miteinander reden statt übereinander :) – Antwort auf Kommentar eines Radfahrers aus der Nachbarschaft”.

Ich bestehe auf meine Rechte, wie ein Mensch im Straßen-Verkehr behandelt zu werden, angstfrei Fahrrad fahren zu können und gesund zu Hause anzukommen. Und dabei auch noch eine ordentliche Infrastruktur benutzen zu können. Diese Rechte gestehe ich jedem anderen Menschen auch zu.

Natenom

Miteinander reden statt übereinander :) – Antwort auf Kommentar eines Radfahrers aus der Nachbarschaft
[ kleinere Verbesserungen zugunsten der Lesbarkeit und Barriere-Freiheit, A.d.R. ]

Natenom hatte sich in den vielen Jahren via Social Media eine große Community aufgebaut. Mit ihnen war er täglich im Kontakt. Er unterstützte uns, wenn es um Open Source und Rad-Verkehrs-Themen ging. Andreas forderte und förderte.

Als ich Ende Oktober 2022 zu Mastodon umzog, wurde er dort ebenso aktiver. Die starke Fahrrad-Bubble im Fediverse hat Andreas mitgeprägt. Die Resonanz auf seinen Tod offenbart, wie vielen Menschen Natenom über die Jahre ans Herz gewachsen ist.

Derzeit werden zahlreiche Gedenk-Fahrten und Aktionen in seinem Sinne organisiert. Informationen bündeln wir auf der Gedenk-Seite via OpenBikeSensor.

Mit Natenom verliert die Fahrrad-Community ein sehr aktives Mitglied. Lasst uns sein Erbe in Ehren halten. Es war sein Wunsch, dass wir dieses Unglück zum Anlass nehmen, nicht zu verzweifeln, sondern noch mehr für den Radverkehr zu tun. Nicht nur in Pforzheim, sondern überall.

Sein Blog dokumentiert, dass Situationen, wie die, bei der er getötet wurde, keine Einzelfälle sind. Jetzt nur die konkreten Umstände, die zu seinem Tod geführt haben, zu untersuchen und zu verbessern, würde verkennen, dass es ein systematisches Versagen gibt beim Schutz schwacher Verkehrsteilnehmer:innen.

Wenn wir uns gemeinsam als engagierte Zivilgesellschaft anstrengen, wenn Gesetzgeber, Straßenverkehrsbehörden und Strafverfolgung ihrem Auftrag gerecht werden, können solche schrecklichen, unnötigen Todesfälle in Zukunft verhindert werden. Es müssen nicht noch mehr Radfahrer:innen sterben. Es müssen sich nicht noch mehr Autofahrer:innen schuldig machen.

OpenBikeSensor

Nachruf – Wir trauern um Natenom, den engagierten Fahrradaktivisten aus Pforzheim
[ kleinere Verbesserungen zugunsten der Lesbarkeit und Barriere-Freiheit, A.d.R. ]

Logo Natenom – neues Symbol für Sicherheit im Straßen-Verkehr. Bild: cc Natenom – postum wie von ihm gewünscht

Logo Natenom – neues Symbol für Sicherheit im Straßen-Verkehr
[ 2024-02-01 Natenom – postum wie von ihm gewünscht ]

Zum Abschied

Lieber Andreas, Du wirst mir fehlen. Du warst mir lang-jähriger Freund, Weggefährte und Verbündeter. Ich behalte Dich in Erinnerung als Mensch, der viel(e) bewegt hat. Als mahnende Stimme, mich in verständlichen, klaren Worten auszudrücken, wirst Du mir beim Verfassen von Texten zukünftig auf der Schulter sitzen. Ich werde mich weiter für Fahrrad-Kultur einsetzen. Dein Andenken halte ich in Ehren. Danke und Adieu.

Franziska (handschriftliche Signatur)

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Gern. Meine drei letzten Beiträge mit Infos zu meiner Initiative FAHRRADkultur:

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2024-02-08

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Aus der Werkstatt [ KW50 ]

2023-12-16

Die Themen der Woche: Keine drehenden Teller für mich: COVID-19 ist nicht vorbei – die gemeinschaftliche Fürsorge von Vulnerablen sowie Eigenschutz. REXlive am Lagerfeuer: REDAXO und Maschinen-Lernen. Mein Engagement für quell-offene Programme: GitHub ausgepackt. Verkehrssicherheit für Radfahrende: zum aktuellen Stand von OpenBikeSensor. PodcastLiebe: WandelMut beim Tagesspiegel, mediasres zu künstlicher Intelligenz. Rechtsanwälte sind die wahren Künstler:innen: konstruktiver Aktionismus vom Zentrum für politische Schönheit. Zuguterletzt: 199 kleine Held:innen.

Aus der Werkstatt [ KW28 ]

2023-07-15

Die Themen der Woche: Runderneuerung Technik – Feinschliff. Redaktionelle Arbeit und neue Prioritäten. Sinnkopplung in der Praxis am Beispiel der aktuellen Hitze-Welle in Europa. Vision Zero und die Unfall-Statistik für Deutschland. Digitale Transformation: Die Arbeit vom heimischen Schreibtisch verstetigt sich. Renaturierung in Europa für mehr Klima-Resilienz als Teil der Anpassungsstrategie an den Klima-Wandel. Dazu ein praktisches Fallbeispiel für betriebliche Wiesen mit Bonus in Sachen Gesundheit. Filmauslese “Amanda” und “Laufen”. AI Cover und wahre Kreativität in der Musik.