Aus der Werkstatt
Wochenrückblick KW51 / 2023
veröffentlicht: 22.12.2023 · Franziska Köppe | madiko
Aus der Werkstatt 2023
[ 2023 Franziska Köppe | madiko ]
Am Freitag vor Weihnachten, meinem letzten “Arbeitstag” in diesem Jahr, skizziere ich diesen Blog-Beitrag. Für den Feinschliff und das Publizieren lasse ich mir Zeit. Immer, wenn ich ein Stündchen Muse habe, bastel ich daran. Sortiere das Wirrwarr an Gedanken und bemühe mich, es lesbar zu gestalten. Ein Umstand, mit dem ich gut zurecht-komme. Unter Zeitdruck habe ich noch nie effektiv gearbeitet. Mit dem Alter lerne ich, mit diesem Charakterzug besser im Einklang leben zu können.
Vom Weltgeschehen ziehe ich mich für die nächsten Wochen zurück. Aus dem Augenwinkel bekomme ich mit, dass es starke und groß-flächige Überschwemmungen in Deutschland gibt. Nach der enormen Hitze im Sommer zeigt der Klima-Wandel erneut seine Fratze. So leicht mit dem Rückzug ins Biedermeier ist es mithin nicht. Die Nachrichten drängen sich auf.
2.510 Menschen verloren 2023 ihr Leben auf der Flucht übers Mittelmeer. Tausende mehr in den Kriegsgebieten im Osten Europas und im Nahen Osten. Im Roten Meer entern Huthi-Piraten Frachter auf ihrer Route gen Westen. Der Suez-Kanal wird geschlossen. Derweil kann der Amazonas aufgrund von Dürre und zu wenig Wasser ebenfalls nicht beschifft werden.
Die Verschränkung von internationalen Handels-Beziehungen als friedens-stiftendes Mittel offenbart, dass die Globalisierungs-Strategie eine ganze Reihe von ungewollten Neben-Effekten hat. Wir bauen den Wohlstand der Industrie-Nationen auf ein instabiles, fragiles System, das die Grenzen unseres Planeten sowohl in ökologischer als auch sozialer Hinsicht sprengt.
Was mich daran am meisten sorgt, ist dass sich Neo-Nazis daraus ihre eigenen Narrative basteln (die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben). Sie bezwecken, die Stabilität unserer demokratischen Gesellschaft zu untergraben.
Ein friedliches Fest, bei dem ich zur Ruhe kommen kann, bedeutet mithin, das Weltgeschehen herunterzudimmen. Das kostet Kraft. Meine Energie-Reserven fülle ich mit einer Extra-Portion Herzen-Sterne-Brezeln und einem kräftigen Earl Grey auf. Wohlan, gehen wir nach nebenan in die Werkstatt…
Jahres-Endspurt
Sortieren, Ablegen, Strukturen anlegen, letzte Rund-Meldungen
Kommunikationsstrukturen und -prozesse für die Scientists For Future Stuttgart
Für diese Woche hatte ich mir vorgenommen, die letzten Fleiß-Aufgaben für die Scientists For Future Stuttgart zu erfüllen. Mich packte der Ehrgeiz, meine Moderations-Aufgabe so vorzubereiten, dass Strukturen gebaut und Prozesse angelegt sind. Mir ging es um den minimalen Rahmen, der uns handlungsfähig macht. Das Gebilde ist nun nutzbar. Im weiteren Verlauf werden wir es gemeinschaftlich vervollständigen und justieren. Mir war wichtig, das aus dem Weg zu räumen, um mich ab Januar in der Moderation auf die Inhalte der Regional-Treffen konzentrieren zu können (siehe unten dazu erste Ankündigungen und Einladung zum Mitgestalten). Leider fressen derartige Fleiß-Aufgaben viel mehr Zeit, als man gemeinhin denkt. Es ist gelungen. Auf den letzten Drücker zwar, doch am Freitag-Nachmittag konnte ich die Infos an den internen Mail-Verteiler senden. Wir sind da noch etwas alt-modisch unterwegs. Mal schauen, wie viele über die nächsten Monate zu Rocket-Chat und SKIP migrieren. Kommunikations-Kanäle optimieren gehört zu Medien-Kompetenz. Ich versuche, Vorbild zu sein. Wäre schön, wenn mir gelingt, die Wissenschaftler:innen zu inspirieren.
Sortieren, lochen, ablegen
Ein wenig Zeit blieb drumherum für meinen eigenen Wust an Papier, Bits und Bytes. Bei meinem letzten Arbeitgeber nannten wir es “Ablage erledigen”: sämtliche Protokolle, Dokumente und Daten des abgelaufenen Jahres aussortieren, großzügig ausmisten und in den großen Papier-Schredder-Kontainer bringen. Alles Dokumentier-Pflichtige (Rechnungen, Zertifikate, Lizenzen usw.) sortieren, zuordnen, die Nachzügler und offenen Posten abzeichnen und an die Buchhaltung weitergeben. Die Kolleg:innen der BuHa taten mir leid. Für sie begann alljährlich Mitte Dezember die stressigste Jahreszeit überhaupt. Bis zum 13.01. des nächsten Jahres mussten (und müssen) sie enorme Stapel komplett digital erfassen und überweisen. So sehr ich mich bemühte, selbst nicht dazu beizutragen: Es gelang mir nie. Ich mochte allerdings die Ruhe im Büro. Während die anderen bereits im Weihnachtsurlaub waren, hatte ich das Großraum-Büro für mich. So effektiv und effizient wie in diesen Tagen vor Weihnachten arbeitete ich dort nur in den späten Abendstunden – ohne Übermüdung in geregelten Arbeitszeiten.
Die Freude an dieser konzentrierten Arbeit war übrigens etwas, weswegen ich nie Angst vor der Anforderung an Freiberufler:innen hatte. Selbständig und eigenverantwortlich zu arbeiten, ist schon immer “mein Ding” gewesen. Allerdings wusste ich von mir, dass ich ein Schlumpf bin, wenn es um Buchhaltung, Controlling und Steuer-Erklärungen geht. Das wird nicht besser, wenn sich Stapel auftürmen. Daher gewöhnte ich mir an, den nervigen Kruscht möglichst all-wöchentlich zu erledigen. Dafür brauche ich in der Regel nicht länger als vierzig Minuten. Am zweiten Werktag des Monats dann jeweils die Konto-Auszüge abrufen, alles auf Vollständigkeit checken und nach Bedarf ergänzen. Das dauert je nach Monat ein-zwei Stunden. Das ist OK. Für 2023 halte ich fest: Es ist mir gelungen und ich bin tatsächlich auf dem neuesten Stand. Kein Jahres-Endspurt!
Zettelwirtschaft
Dennoch stapeln sich auf meinem Schreibtisch Papiere wild durcheinander. Den höchsten Anteil hat die kommunale Bürokratie. Ich muss sichten, was noch nicht digitalisiert ist. Das scannen. Schließlich die zu archivierenden Unterlagen lochen, abheften, als Staubfänger in den Akten-Schrank stellen. So will es das Gesetz (Aufbewahrungs-Pflicht). Ferner türmen sich hier Bücher. Ich legte sie zurecht, als ich das AddOn Books fürs neue Portal programmierte. Es war praktisch, sie in Armlänge parat zu haben. Ein Teil davon wandert nun zurück ins Regal.
Bleibt eine heillose Zettel-Wirtschaft, die wie eine schlechte Angewohnheit an mir klebt. Noch nicht in allen Besprechungen gelang mir, meine handschriftlichen Notizen digital zu verfassen. Ich werde besser darin. An meine guten Kompetenzen im Mind-Mapping kann ich bislang nicht anknüpfen. Da übe ich also 2024 weiter. Die Kombi Stift-Tablet und Photoshop ist ok. Ein Extra-Gerät brauche ich nicht. Als wesentlich erwies sich, mir via Adobe Photoshop einen virtuellen Arbeitsplatz für Konferenzen einzurichten. So eine kleine Maßnahme hatte enorm hohe Wirkung auf meine Effizienz und Schnelligkeit. Das Tastatur-Kürzel zum Drehen des virtuellen Papiers war der zweite, alles verbessernde Moment. Inzwischen schreibe ich mit Stift-Tablet genauso flüssig wie mit Fineliner auf Papier. Die Handschrift ist wieder gut leserlich, ohne dass ich mein gewohntes Schreib-Tempo drosseln muss. Die getrennte Augen-Hand-Koordination gelingt mir blind.
Da der Sicht-Bereich kleiner ist, fällt mir das Auflösen linearer Doku hin zu vernetztem Denken schwerer. Mit linearem Protokollieren falle ich zurück in das Muster, viel zu detailliert mitzuschreiben. Abstrahieren, clustern und verknüpfen geht mir beim Mind-Mapping leichter von der Hand. Daher ist mir wichtig, dahin digital zurückzufinden. Heißt, ich möchte lernen, kleinere Buchstaben mit dem Tablet schreiben zu können. (Ganz kurz wünsche ich mir einen größeren Bildschirm.) Dennoch kann ich erfreut festhalten: In Summe aufs Jahr betrachtet verschob ich den Anteil von Papier hin zu Digital. Er überwiegt klar. Sehr fein. Kleine Erfolge feiern, so wichtig!
Informations-Flut aufgrund Sammel-Wut
Für diese Woche versuche ich, die Stapel so gut es geht zu ignorieren. Sie nehme ich mir für die zweite Januar-Woche vor. Eine Tendenz, die sich zu manifestieren scheint: Digitaler Jahres-End-Putz fällt mir deutlich leichter. Da habe ich schon das ein oder andere geschafft. 50 offene Tabs (von ~230) sind verräumt. Ein Großteil meines digitalen E-Mail-Archivs (70 Prozent könnten es sein), das ich kontinuierlich Woche für Woche, Monat für Monat je für ein paar Minuten “leerte” ist erledigt. Für den Rest geht’s 2024 weiter.
Mir fällt dabei meine Sammel-Wut auf. Mein Drang, alles (schriftlich) festhalten zu wollen. Zu wenig “einfach so geschehen zu lassen”, ohne es für die Ewigkeit (dieses “später”) zu konservieren. Vermutlich fußt das auf meinem Anspruch, Wissen frei zugänglich zu machen. Es von Hierarchien und Barrieren zu befreien. Ich halte für möglich, dass noch ein blinder Fleck dahinter steckt, der tiefer wurzelt.
Meine Notizen helfen mir beim Ausmisten. Was kann weg? Was soll bleiben? Mit Abstand zum Geschehen fällt mir das leichter. Ich bin weniger emotional an das Ereignis und den Inhalt gebunden. Oftmals reicht mir ein kurzer Blick auf meine Aufzeichnungen. Ich erkenne klarer, was sich als nützlich und zukunfts-robust erweist. Als visuelle Alpha-Leserin kann ich sie ganz gut überfliegen und erfassen. Notizen sind natürlich auch besser durchsuchbar als umfangreiche Transkriptionen oder gar Videos und Audios. Allerdings führt das zu großen Daten-Mengen und Papier-Stapeln. Das ist die Kehrseite. Daher der alljährliche Putzfimmel. Speicher zumüllen ist nicht meins. Ich bin kein Genie, das Chaos überblicken kann. Ich gehöre zu den kleinen Geistern, die ein Mindestmaß an Ordnung brauchen.
Leider auch ich: Das Neue ist spannender als “aufräumen”. Erst einmal alles festhalten – wegschmeißen kann ich immer noch. Keine Ahnung, wo ich diesen Glaubenssatz herhabe. Meine Zeit klug einsetzen heißt, bezüglich Dokumentieren “sparsamer” zu werden. Mut zur “Gedächtnis”-Lücke. Es ist das Bedürfnis, mein eigenes Kompendium anzulegen, um nicht mühsam im Internet nach Informationen suchen zu müssen. Genau das läuft mir jedoch regelmäßig im Verlauf eines Jahres aus dem Ruder.
Hm. So rein kognitiv betrachtet, leuchtet mir das ein. In der jeweiligen Situation indes fällt es mir schwer. Momentan bin ich in der Beobachtungsphase. Meine Muster habe ich noch nicht durchschaut. Da einfach dranbleiben. Bewusstsein ist der erste Schritt zur Besserung, pflegte meine Großmutter zu sagen.
WandelMut
Aus der Manufaktur der Bewegung und Kooperative
Mit Blick auf die Aufgaben, die ich gern abarbeiten wollte (siehe oben), beschließe ich am Montag, die WandelMut-Manufaktur in Weihnachts-Urlaub zu schicken. Ich wäge ab, was mir mehr Ruhe über Jahreswechsel bringt. Die Aussicht, alles Administrative erledigt zu haben, gewinnt. Für WandelMut ist klar, dass die als Nächstes anstehenden Aufgaben-Pakete zu groß sind. Es lohnt nicht, sie anzufangen und halbfertig hängen zu lassen. Ein kurzes Zögern. Vor wenigen Jahren noch hätte ich wie selbstverständlich beides erreichen wollen. Ich hätte alle verbleibende (und mehr) Kraft fürs Arbeiten aufgebracht. Danach wäre ich völlig erschöpft in ein Loch gefallen. Heute macht das keinen Sinn mehr für mich. Dann die Erleichterung. Die sofortige Belohnung für die mutige Entscheidung, das alte Verhaltensmuster zu überwinden – und ja, Überwindung kostet es mich immer noch. Ich genieße den Moment und die Flut der Gefühle. Für mich ist es ein Zeichen, dass es doch so etwas wie die Weisheit des Alters gibt. So wird aufschreibenswert, Nichts getan zu haben. Auch mal schön.
Scientists For Future Stuttgart 2024
Themen-Sammlung & erste Ankündigungen
Lange war ich Beobachterin und stille Begleiterin der Scientists For Future. Die Bewegung der Wissenschaftler:innen hatte sich 2019 zusammengeschlossen, um Schüler:innen, Studierenden und Auszubildenden der For-Future-Bewegung den Rücken zu stärken in ihrer Forderung “Hört auf die Wissenschaften”. Sie waren es, die die wissenschaftlichen Grundlagen erarbeiteten und sich der Wissenschafts-Kommunikation ihrer Erkenntnisse im Rahmen der Klima-Demos annahmen. Stets die Rolle im Kopf, Berater:innen – nicht Entscheider:innen – politischer, demokratischer Prozesse zu sein.
Neue, erweiterte Rolle der Wissenschaftler:innen in der Gesellschaft
Vier Jahre später beginnt sich die Rolle zu verändern. Es geht nicht mehr nur darum, auf Demos präsent zu sein und im Rahmen von Aktions-Tagen Info-Stände anzubieten. Es geht um das Reformieren des Hochschul-Betriebs hin zu Nachhaltigkeit. Ferner werden Wissenschaftler:innen mit eigenen Initiativen aktiv, die zu Klima-Resilienz und Aufklärung eigenverantwortlich handelnder Bürger:innen beitragen.
Mithin: Die Rolle erweitert sich. Zur Forschung und Entwicklung, Beratung von Entscheidungsträger:innen aller Sektoren hinsichtlich Klima-Resilienz und Wissenschafts-Kommunikation kommen neue Facetten. Begleitet wird dieser Veränderungs-Prozess von der Erkenntnis, dass inter-disziplinäre und inter-sektorale Zusammen-Arbeit an Wert gewinnt. Etwas, das im Elfenbein-Turm nicht selbstverständlich ist. Noch ist es vom Belohnungs-System akademischer Institutionen entkoppelt.
Die Scientists For Future in der Region Stuttgart meisterten den Sturm der vergangenen Jahre gut. Sie waren vielfältig am Ball. Sie halten den hohen Anspruch an sich, möglichst auf allen Klima-Groß-Veranstaltungen präsent zu sein. Zurzeit verteilt sich diese ehrenamtliche Arbeit auf wenige Schultern. Das macht sich nur schleichend bemerkbar. Bevor sie ausbrennen und – wie beispielsweise in Hamburg gar – die Regional-Gruppe ihre Arbeit einstellen muss, wollen sie sich neu (er)finden. Dazu gehört auch, denen Mut zuzusprechen, die sich bisher nur nicht trauten. Mut und das Erkennen eigener Fähigkeiten und Expertise entstehen durch Tun und einen geschützten Raum zum Ausprobieren. Diesen schaffen wir. Meine Aufgabe wird sein, diesen stabil zu halten. Bis die Gruppe sich soweit gefestigt hat, dass sie es eigenverantwortlich übernehmen können.
Neuer Handlungs-Rahmen bereit fürs Real-Experimentieren
In den letzten drei Monaten erarbeiteten wir einen neuen Handlungs-Rahmen. Diesen gilt es, zu erproben und gemeinschaftlich weiterzuentwickeln. Als Fundament dienen uns die Regional-Treffen. Sie finden 2024 nun regelmäßig am ersten Werktag des Monats statt – jeweils im Wechsel online (ungerade Monate, Januar, März, Mai usw.) und in Präsenz (gerade Monate, Februar, April, Juni usw). Wir legten die Termine auf 19 Uhr (pünktlich, sine tempore).
Die wohl größte Veränderung zum bisherigen Vorgehen ist: Wir nehmen uns jeweils eines großen Themas pro Treffen an. Das heißt, wir greifen uns aus der Vielzahl der Aspekte von Klima-Anpassungs-Strategien gezielt eines heraus, das für die Region relevant ist. Eine Stunde werden wir diesem Anliegen widmen. Natürlich ist das ob der Komplexität immer noch viel zu wenig Zeit. Dennoch erhoffen wir uns durch die Kombination aus wissenschaftlichem Impuls (von Freiwilligen aus unserer Mitte) und der inter-aktiven Diskussion, den Dingen auf den Grund gehen und unsere Kompetenzen erweitern zu können. Nicht nur fachlich, sondern auch im Üben von fakten-basiertem, fundiertem Diskurs.
Die Treffen in Präsenz öffnen wir allen Interessierten. Die Online-Begegnungen sind Wissenschaftler:innen, Forscher:innen (aller Sektoren) und Studierenden vorbehalten. Die Themen werden aus der Regional-Gruppe und von Teilgebenden vorgeschlagen. Wir suchen uns Expert:innen für die Fach-Impulse. Jedes Wesen ist eingeladen, sich am Wissens- und Erfahrungsaustausch zu beteiligen. Die Bereitschaft zum Zuhören und konstruktiven Dialog vorausgesetzt.
Januar: Grünes Wachstum is’ nich’ – und nun?
Am Dienstag, 09. Januar, 19 Uhr widmen wir uns dem Themen-Komplex von “Grünem Wachstum”:
“Grünes Wachstum” bestimmt die politischen Strategien zur Bewältigung der Klimakrise – von den Vereinten Nationen über OECD und EU bis nach Deutschland und die Region Stuttgart. Eine kürzlich im The Lancet veröffentlichte Studie kommt zum Schluss: Grünes Wachstum gibt es nicht.
Uns geht es um die strukturellen Gründe, die hinter diesem statistischen Ergebnis stehen. Weder “grünes Wachstum” noch substantiell wirksamer Klimaschutz können zur Realität werden – trotz des vielen guten Willens, politischer Beschlüsse auf allen Ebenen, großem Engagement und ungewöhnlicher Einigkeit, wie wichtig das Thema ist.
Welche (ökonomischen) Rahmen-Bedingungen müssen wir ändern, damit Klimaschutz und Wohlstand realistisch werden? Welche Konsequenzen haben diese Erkenntnisse für uns und unsere Arbeit? Bestehen unsere Empfehlungen den Realitätstest?
Carola Eckstein & Jakob Leweke
Impulsgeber:in S4F Stuttgart
Eingeladen sind Forscher:innen (aller Sektoren), Wissenschaftler:innen und Studierende. Nähere Details und Zugangsdaten gebe ich gern auf Nachfrage. Unsere Internet-Seite ist noch in Arbeit. Behalte die Domain im Auge: stuttgart.scientists4future.org.
Februar: Stadt von Morgen – Wie gehen wir klug mit den möglichen Zukünften um?
Wie wollen wir leben? Womit unser Einkommen verdienen? Wie hängen unsere Zukünfte-Szenarien mit unserem Welt- und Menschenbild zusammen? Mehr noch: Wie werden unsere Wunsch-Visionen real? Im Februar diskutieren wir die neuesten wissenschaftlichen Ergebnisse der Zukünfte-Forschung. Als Impulsgeber konnte ich den stellvertretenden Instituts- und Forschungsbereichsleiter am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Dr. Steffen Braun, gewinnen:
Bis zum Jahr 2045 plant Deutschland, klima-neutral (Netto-null-Emissionen) zu sein. Eine solch weitreichende Transformation braucht Ambition und Motivation. Sozial gerecht und umwelt-freundlich werden Leben und Arbeiten nur gelingen, wenn Gesetzgebung (Legislative), Rechtsprechung (Judikative) plus Regierung und öffentliche Verwaltung (Exekutive) als auch Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst, Kultur und Zivilgesellschaft in einer kollektiven Anstrengung agieren.
Im Rahmen des Regional-Treffens beschäftigen wir uns mit verschiedenen, wissenschaftlich erarbeiteten Zukünfte-Szenarien. Wir erkunden dabei diese Fragen:
- Welche Zukünfte-Szenarien auf gesellschaftlicher Ebene gibt es?
- Wie lassen sich diese Szenarien untereinander abgrenzen?
- Wo liegen die Ziel-Konflikte? Wo die Kompromiss-Flächen?
- Wie können wir im Bezug auf unsere Wunsch-Szenarien wirkmächtig werden?
Dr. Steffen Braun
Impulsgeber S4F Stuttgart
Wir treffen uns am 01.02. 18:30 Uhr in der Raupe Immersatt (Stuttgart-West). 19 Uhr startet dann der Wissens- und Erfahrungsaustausch. Alle Interessierten willkommen!
Was hält Dich davon ab, kreativ zu sein? Wie lösen?
Podcast-Liebe: "Draftsmen"
Zum Jahresausklang verlagerte ich meine Hörgewohnheiten auf angenehmere und leichtere Formate. Das tat mir gut.
Kontext: Musische Bildung als Teil des Mensch-Seins
Seit dem Frühjahr 2012 – hoppla mehr als zehn Jahre – bin ich großer Fan von Stan Prokopenko. In dieser Dekade baute der aus Odessa, Ukraine, stammende Künstler eine phänomenal gute Online-Kunst-Schule auf: proko. Durch einen glücklichen Umstand erfuhr ich bereits in den Anfängen von seinem YouTube-Channel proko. Stans erstes Erklär-Bär-Video, in dem er erläutert wie man den Kopf aus allen Perspektiven auf Basis der Loomis-Methode zeichnet frische ich in regelmäßigen Abständen auf. Es hilft mir, all die Details regelmäßig in Erinnerung zu rufen. Offensichtlich nicht nur ich. 10.246.762 Aufrufe steht auf dem Zähler. Alle Achtung!
Draw the head from any angle (loomis method)
[ 2012-08-14 proko TV | 05'11'' ]
Ich lerne enorm viel von Proko – auch ohne Ambition, professionelle Künstlerin zu werden. Es geht bei Kunst immer ums (Zusammen)Leben, um uns Menschen, wie wir die Welt wahrnehmen und gestalten. Stell Dir nur kurz eine Welt ohne Musik, ohne Bilder, ohne Schönheit vor – und sei es das Design Deiner Gebrauchs-Gegenstände!
Neben eigenen Kursen konnte Stan in den letzten Jahren bedeutende Künstler:innen aus der ganzen Welt als Instruktoren gewinnen, beispielsweise:
- Aaron Blaise – Animation Artist bei Disney, zeichnete unter anderem die Bären-Brüder und das Dschungel-Buch. Aaron ist eine große Quelle an Inspiration. Vor allem sein Story-Telling, Licht & Schatten plus die Gestik & Mimik sind genial.
- Antonio Stappaerts, gebürtiger Italiener und nun Globetrotter, der unter anderem für Soni Playstation die Spiele-Welten entwirft.
- Ahmed Aldoori – sein Kurs zum Zeichnen von Hauttönen, wie auch sein Umgang mit Licht und Schatten für das Form-Geben von Objekten sind phänomenal.
- David Finch – Animation Artist bei Marvel, vor allem bekannt für Super Man. Sein Kurs zu “drawing the head” und “drawing poses” sind für mich der Durchbruch gewesen, Comic-Style und das Vereinfachen von Bewegungsabläufen und ihre Emotionen zu verstehen.
- Dorian Iten – Programm-Direktor der Barcelona Academy of Arts und Vorbild für das Spiel von Licht und Schatten.
- Marco Bucci – Genie vor allem fürs Verstehen von Farben, Geschichten-Erzählen und In-Szene-Setzen.
- Marshall Vandruff – absolutes Ass in Perspektive.
- Kim Jung Gi – Sketch Artist aus Korea.
- Kyle T Webster – Genie was digitale Pinsel angeht und viel zur Weiterentwicklung der Adobe Creative Suite im Dienste der Künste beiträgt.
- Lane Brown – noch ein phänomenaler Pinsel-Handwerker, der mich vor allem mit seinen Portraits im Stile alter Meister (Link führt zu seinem Portrait von Audrey Hepburn im Stil von John Singer Sargent) inspiriert.
Ich könnte die Liste endlos weiterführen. Mir fällt gerade nur auf, dass die Frauen unter den Instruktoren eher nicht so meinen Geschmack treffen (Manga, Comics mit Schwerpunkt auf Gewalt oder sexualisierte Rollen-Muster – was ich aus der Feder von Frauen besonders schräg finde). Sie sind zudem noch deutlich in der Unterzahl. Schade. Dennoch eine beeindruckende Aufreihung des “Who is Who” visuell arbeitender Künstler der Gegenwart.
Draftsmen – Auf Erkundungs-Tour durch die Künste
Gemeinsam mit Marshall produzierte Stan zwischen Mai 2019 und Dezember 2022 regelmäßig die “Draftsmen” – Dialoge rund um das Thema Kunst, Künstler-Dasein und die Kunst-Branche. Sie veröffentlichten ihre Gespräche als YouTube-Videos und als Podcast. Sie bauten die Serie als “Kurs” auf.
Direkt in der ersten Folge starten sie mit der Angst vor Kritik und den Ambitionen, foto-realistisch zu zeichnen. Sie beschäftigen sich mit den Grundlagen und woraus sie Inspiration ziehen. Sie sprechen über Themen wie das Zusammenstellen eines Portfolios, wie man sich dem Thema Anatomie als Künstler:in annähert und Kunst-Geschichte. Bis hin zu täglichen Routinen, Arbeitsorganisation, Materialien, Bücher, Technik inklusive Maschinen-Lernen, wie man mit Kunst-Werken Geld verdient und so weiter.
Foto: Draftsmen – Podcast by Stan Prokopenko & Marshall Vandruff
[ 2019-05 proko ]
Ich zähle mich zu den Kreativen seit ich Kind bin. Die Sphären meines Schaffens vermischen sich und profitieren voneinander. Mein letzter Arbeitgeber versuchte, mir das auszutreiben. Es war unerwünscht, allzu erfindungsreich zu sein. Es hat eine Weile gedauert, bis ich dies als Muster und Ursache für meine Unzufriedenheit im Job erkannte. Für mich haben sich mit der Freiberuflichkeit viele Blockaden gelöst. Dieses geniale Gefühl, die eigenen Flügel ausbreiten zu können, wünsche ich jedem Menschen.
2019/20 schaute bzw. hörte ich “Draftsmen” regelmäßig. Allerdings empfinde ich Stan zuweilen echt anstrengend bis anmaßend. Er hat eine sehr provokante Art – vor allem im Umgang mit Marshall. Marshall ist ein schräger Vogel, der mich mit der Weisheit seines Alters überraschen kann. Zudem haben beide einen Hang, sich in Details zu verlieren. Sie mäandern gern über Stöckchen und Steinchen. Nicht immer habe ich dafür die Geduld. Da Stan und Marshall in den USA leben, lassen sich ihre Erkenntnisse nicht unhinterfragt auf Europa übertragen (was ich gut heiße und gar nicht als erstrebenswert ansehe). Irgendwann erkannte ich: Die Dosis macht das Gift. Seither genieße ich “Draftsmen” sporadisch und in größeren Abständen. Und ich habe keine Hemmungen, auch mal zwei-drei Minuten vorzuspulen.
Blockiert in meiner Schaffensfreude
Seit vielen Monaten leide ich unter einer kreativen Blockade. Heraklit wollte mir einfach nicht aus der Tusche-Feder fließen. Also zumindest seine Gesichtszüge nicht.
zitatinte unvollendet: Heraklit von Ephesos – Das Unverhoffte
[ 2023-07
Franziska Köppe | madiko ]
Ich habe eine vage Ahnung, woran es liegt: Perfektionismus. Zum einen fehlt mir die Vorstellungskraft, wie ich die kreativen Probleme (Schattierungen) lösen kann. Zum anderen scheitere ich im Missverhältnis von meinen eigenen Fertigkeiten und dem, wie ich möchte, das es aussieht. Es reicht auch nicht, mir zu sagen, dass ich weniger perfektionistisch sein muss. Gefällt mir die Zeichnung nicht, werde ich sie nicht publizieren. Jede Version ging einfach in die Hose. Irgendwann vermied ich, überhaupt einen Stift zum Malen in die Hand zu nehmen. Minutenlang saß ich vor dem Blatt. Alles lag bereit. Es gelang mir kein einziger Strich. Zeichnen ist mir Entspannungs-Technik. Dieser Zustand ist also blöd.
Ich wusste, ich muss durch diese Krise durch. Meine Blockade zu meistern, fällt mir schwer. Genauso stark ist mein Wunsch, die Hürden zu überwinden. Allein kam ich nicht weiter. Von daher lag es nahe, mich auf spielerische und unverbindliche Weise von Stan und Marshall inspirieren zu lassen.
Nach dieser langen Vorrede (Pardon dafür), hier nun mein Podcast-Tipp: “What’s blocking your creativity?” und “Solving creative blocks”. Darin beschäftigen sich Stan und Marshall mit Kreativität. Den Begriff fassen sie bewusst weit und beziehen ihn auf alle Künste des (Arbeits)Lebens:
Was ist Kreativität?
Creativity is the ability to solve problems in imaginative ways.
David D. Edwards
zitiert aus Draftsmen – vorgetragen von Marshall Vandruff [ 08’24’‘ ]
Frei übersetzt ist Kreativität nach David D. Edwards mithin die Fähigkeit, Probleme fantasievoll, einfallsreich, ideenreich, erfinderisch zu lösen. Stan ergänzt die Definition von Larry Moore um das Ausführen der gefundenen Lösung:
Creativity is the application of imagination to a specifique problem and then actually doing something about it.
Larry Moore
zitiert aus Draftsmen – vorgetragen von Stan Prokopenko [ 08’40’‘ ]
Was verhindert Kreativität?
In Anlehnung an David D. Edwards kategorisiert Marshall die Blockaden für Kreativität nach
[ Start bei 11’43’‘ ]:
- gefühls-bestimmt und affektiv (emotional),
- beruhend auf unserer Wahrnehmung (perceptional)
- Denkansätze bzw. unsem Weltbild (intellectual) sowie
- kulturell, sozial (cultural).
Das ist eine grobe Einteilung, die uns hilft, das Wirrwarr zu entschlüsseln. Alle Farben, Ausprägungen sind möglich. Zudem sind die Merkmale verschränkt und wirken wechselseitig. Wenn wir beispielsweise sozialen Normen kreativ auslegen, werden wir von intoleranten Gemeinschaften in der Regel ausgeschlossen – was uns das Gefühl der Zugehörigkeit entzieht. Aus Angst vor Ablehnung werden wir uns also zum System verhalten. Wie genau die Verhaltensmuster sind, bleibt individuell. Gemeingültig ist, dass Sozialisierung – in meiner Beobachtung vor allem im beruflichen Kontext – unsere Problem-Lösungs-Fähigkeit stark beeinflusst.
Angst äußert sich in vielen Facetten. Angst, nicht gut genug zu sein. (Selbst)Zweifel, die Angst, zu versagen. Angst, niemals so gut wie die eigenen Vorbilder zu sein. Uns zu vergleichen mit Menschen, die Dekaden von Erfahrungen haben und ihre Kreativität zur Meisterschaft führten. Genauso wenig hilfreich ist die Angst vor Scham. Beispielsweise wenn wir uns nicht trauen, verrückte Ideen zu haben und hemmungslos drauflos zu “spinnen”. Zumeist ist diese Angst darauf begründet, dass wir Sorge haben, was andere über uns denken. Oder auch Überheblichkeit, sich zu “alt” zu fühlen, um “kindisch” zu sein und zu spielen. Von vornherein zu sagen: Das kann ich nicht. Das sind Hürden für Erfindungsreichtum, bei denen das Ego wie ein dicker Fels im Weg liegt.
Ferner gibt es die Angst, die uns dazu bringt, nicht auffallen zu wollen. Das hat leider den traurigen Nebeneffekt, sich selbst nicht zu kennen. Die eigenen Kanten und Ecken sind rundgeschliffen. Wir bieten anderen keine Reibungsfläche. In der Hoffnung, dass das Leben für uns glatter verläuft, verpassen wir, unsere Stimme zu entwickeln. Uns entgeht die Chance, uns kennenzulernen und mit uns Freundschaft zu schließen. Das betrifft vor allem Menschen, die sich stark im Außen orientieren und in voraus-eilendem Gehorsam die von ihnen angenommene, gesellschaftliche Norm zu erfüllen suchen. Mir ist keine:r bekannt, die:der mit dieser Strategie aus vollem Herzen glücklich ist. Im Gegenteil, viel zu viele Menschen stürzt diese Verhaltensweise – die auf Angst beruht – in existenzielle Krisen.
Gruppen-Druck von der Familie, Freunden, Kolleg:innen, Lehrer:innen und Dozent:innen kann diese Angst-Blockaden verstärken. Je weniger wir uns kennen, je geringer unsere Selbstwert-Erwartung – desto herber scheitern wir im Bestreben, uns anzupassen. Ich bin froh, den letzten Aspekt als Jugendliche überwunden zu haben. Vielleicht einer der Vorteile, in der DDR aufgewachsen und Teil der Friedensbewegung gewesen zu sein. Und damit meine ich gerade nicht die Menschen, die sich ergeben allen Regeln unterwerfen, eingetretene Pfade nachlaufen und einem (selbst-gewählten) Anführer folgen. Das ist nicht kreativ. Das nennt sich “me too” – “ich auch”.
Keine Angst vor gar nichts zu haben, ist im Übrigen genauso wenig hilfreich für Kreativität. Überheblichkeit, ein übergroßes Ego und Hochstaplern fehlen Adrenalin und Problem-Bewusstsein, um erfinderisch sein zu können. Wenn wir glauben, bereits die Lösung gefunden zu haben, wenn wir uns schnell mit dem Erst-Besten zufrieden geben, fehlt uns ein entscheidender Aspekt für Fantasie und Ideen-Reichtum. Wir verpassen es, Grenzen auszuloten. Es braucht ein Mindestmaß an Anspannung, unsere Ängste zu überwinden. So wachsen wir über uns hinaus. Ein gesundes Maß an Nervosität ist Zeichen dafür, dass wir unsere Sache gut machen wollen. Dass sie uns bedeutsam ist.
Was uns zum Blocker der Vorurteile führt: Unsere Annahmen über Kreativität, über kreative Menschen und kreative Prozesse. Uns für innovativ zu halten, weil wir irgendwelche aufwändigen, technischen Spielereien oder moderne Methoden nutzen… Oder die Vorstellung, dass wir ohne die neueste Technik, den hippsten Shice und den teuersten Was-auch-immer glauben, nicht originell sein zu können. Joa, merkste selbst. Wir alle sind schon darauf reingefallen und haben viel zu viel Geld ausgegeben. Zu bequemlich sollten wir uns nicht einrichten. Es braucht ein gewisses Maß an “Unbequemlichkeit”, um die Energie aufzubringen, sich Einzigartiges für bekannte Probleme einfallen zu lassen. Wahrlich erfinderisch zu sein. Was eine gute Überleitung zum nächsten Blocker ist…
Der Motivation! Ihr Ausbleiben aber auch Über-Motivation sind hinderlich für Kreativität. Wir können andere nicht motivieren. Wir können uns selbst nicht motivieren. Hartmut Rosa beschreibt das Phänomen in “Unverfügbarkeit” und ausführlicher in “Resonanz”. Wir können lediglich mit geschützten Rahmen dafür Sorge tragen, dass wir nicht demotiviert sind. Über-Motivation indes führt dazu, dass wir verzweifelt dem Erfolg hinterher-rennen. “Ich werde berühmt. Ich werde Karriere machen. Ich werde viel Geld (damit) verdienen.” All das sind fehl-leitende Motive, die die eigene Kreativität blockieren.
Generelle Muster und
individuelle Herausforderungen
Als Individuen lernen wir unterschiedlich gut, mit unseren persönlichen Hürden umzugehen. Einige empfinden wir als gering und leicht zu überwinden. Andere hingegen stehen wie eine große Wand vor uns. Manche sind eine gläserne Decke. Weitere spüren wir nicht, weil wir unsere Grenzen nicht austesten. Dennoch sind sie da. Obacht: Was uns zur Barriere wird, muss nicht dieselbe Wirkung auf unsere Mitmenschen ausüben und umgekehrt. Indes sollten wir als Gesellschaft (oder im Rahmen unserer Firmen und Institutionen) darauf achten, wo sich Muster ergeben und daran arbeiten, diese für alle abzubauen. Andere Baustelle, hier soll es ja um den ureigenen Umgang mit Hürden und das Abbauen derselben gehen. Also zurück zum Thema:
Wichtig ist, sich ihrer Einflüsse bewusst zu werden. So können wir die, die uns hinderlich sind, im fantasievollen Lösen unserer Probleme, gezielter angehen und meistern. Manche begleiten uns ein Leben lang. Andere wiederum fallen, sobald wir sie uns vor Augen führen und ihnen mit unseren Sinnen gewahr werden. Es ist eine lebenslange Aufgabe, herauszufinden, wer wir sind und wie wir unser Leben gestalten wollen. Wann die Limits überschritten werden, und wo wir uns im Geflecht selbst auferlegter, bewusster und unbewusster Regelungen verlieren. Unsere Authentizität ist ein fortwährendes Experimentierfeld. Kontinuierlich loten wir unsere Grenzen aus und suchen unsere Mitte. Das ist sehr anstrengend – und bringt hohe Zufriedenheit und Sinn ins Leben. für Dich getestet
Hindernisse entstehen durch äußere Faktoren, die wir nur bedingt zu ändern vermögen – wie beispielsweise auf dem Land / in der Stadt zu leben, arm / reich zu sein, Erst-/Zweit-/Sandwich-Kind, Chef:in oder Mitarbeitende, vermeintlich zu jung/alt zu sein. Bis wir feststellen, welche Vorteile mit dem Hindernis verbunden sein können. Vor allem, wenn wir mit dem Umgang mit selbigen, kreativ werden. Das empfinde ich übrigens als eines der spannendsten Konzepte in Bezug auf Klima-Resilienz: Wenn wir uns Ressourcen-Knappheit als Motivator und Antreiber für Kreativität zunutze machen. Insbesondere, wenn wir dabei nicht (nur) auf unseren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemeinwohl mit in unsere Kreativität einbeziehen. Stan empfiehlt, alle äußeren Faktoren aufzulisten und dazu jeweils die positiven wie negativen Auswirkungen auf unsere Kreativität zu notieren. So können wir ihnen ins Auge sehen und ideen-reich im Auflösen der Widerstände sein.
Am gefährlichsten erscheint mir erlernte Hilflosigkeit. Technologie gaukelt uns vor, uns in kreativen Prozessen zu unterstützen. Dabei beraubt sie uns via der ihr innewohnenden Verschlossenheit unter der Haube, außerhalb unserer Komfort-Zone zu experimentieren. Wir werden gelenkt – oftmals ohne es zu merken. Allein schon deswegen, weil uns abgewöhnt wird, die Dinge zu hinterfragen und kritisch zu prüfen. Ein Überangebot an Wahlmöglichkeiten ist genauso problematisch wie die heimliche Einschränkung an Optionen. Als Kreative im Lösen von Problemen sollten wir uns dieser Blockaden stets bewusst sein. Im besten Fall suchen wir sie uns selbst aus. Ich liebe es zum Beispiel, nur mit meinem 50er Objektiv auf Foto-Safari zu gehen. Oder mich beim Zeichnen auf mono-chromatisch zu beschränken. Oder Bleistift und Papier für den ersten Grob-Entwurf von Web-Design zu nutzen. Mit Stattys zu spielen, wenn ich mir einen Überblick über ein komplexes Thema und seine Elemente verschaffen möchte. Wenn für uns indes alles nach einem Nagel aussieht, weil wir übersehen, dass wir einen Hammer in der Hand halten, ist Vorsicht geboten.
Das heißt nicht, dass wir Technik nicht für kreative Prozesse nutzen sollten. Wichtig ist, uns der Blocks und Hürden bewusst werden, die sich einschleichen können. Beim digitalen Zeichnen ist es heute einfach, non-destruktiv zu arbeiten. Wir können korrigieren, löschen, wiederholen, usw. Wohingegen wir beim Zeichnen von Bleistift auf Papier nur begrenzt oft radieren können, ohne dass es auffällt. Es ist eine willentliche Entscheidung, mutige Entscheidungen zu treffen – und mit dem weiterzuarbeiten, das wir haben. Nicht jede Iteration zu bewerten und zu perfektionieren. Quasi über den Rand malen. Egal, welches Problem wir gerade zu lösen suchen.
Prozessuales Vorgehen im Begegnen kreativer Blockaden
An den zwei Episoden fand ich interessant, dass sich Marshall und Stan bewusst zunächst auf die umfassende Aufgliederung kreativer Barrieren fokussieren. Es fiel ihnen schwer. In unserer Leistungsgesellschaft werden wir darauf getrimmt, Situations-Analyse, Problem-Definition, Lösungsfindung und Ausführung der Lösung simultan zu erfüllen. Das ist natürlich Quatsch, uns indes selten gewahr. Somit scheint allein im Trennen von Wahrnehmen und Erkennen versus Auflösen von Blockaden ein erster zielführender Ansatz zu stecken. Es nimmt den Druck und öffnet uns gleichsam für Kreativität. Auch die Pause zwischen Schritt 1 und 2 ist erfolgskritisch. Das Unterbewusstsein für uns arbeiten lassen, loslassen, atmen, entspannen – alles wichtige Elemente für das Überwinden von Widerständen.
Angst wahrnehmen – und überwinden
Standest Du schon einmal auf einer Bühne und Dir zitterten die Knie? Lampenfieber ist mit Sicherheit kein angenehmes Gefühl. Doch, um ein:e gute:r Schauspieler:in, Musiker:in, Redner:in zu sein, braucht es eine Dosis Adrenalin. Die Angst wahrnehmen, sich ihr stellen – und es durchziehen. Das ist die große Kunst. Sie öffnet das Tor zu Deiner Kreativität. Trau Dich!
Im Überwinden von Angst kann helfen, die Ängste (laut) zu benamen, sie aufzuschreiben oder ähnlich “sichtbar” und “erspürbar” zu machen. Dann jeden Aspekt anschauen und Dich fragen: Was ist das Schlimmste, was passieren kann? Wie hoch ist das Risiko? Welche positive Kraft habe ich, die dagegenhalten kann? Diese Haltung erinnert mich an Harry Potter, als er in Band III (“Prisoner of Azkaban”) seine Angst vor der Angst überwinden muss und sich (seinen) Dementoren stellt. Expecto patronum!
Das ist doch ein schöner Schluss für diesen Ausflug in die Welt der Kreativität, auch wenn das Thema damit natürlich noch lange nicht ausgeschöpft ist. Sprich mich gern an. Was treibt Dich in Sachen Kreativität um? Ich freue mich über Fragen genauso wie über Ideen und Deine Erfahrungen.
Zuguterletzt
Da ich an diesem Blog-Beitrag eine Weile schrieb, kann ich nun zum Abschluss freudig verkünden: Die kreative Blockade in Sachen Heraklit überwand ich. Ich entschied mich, die nunmehr dritte Version meines zitatinte zu veröffentlichen. Sie scheint mir noch immer unzulänglich (vor allem beim Gesicht). Nun denn. Mut! Wie heißt es so schön: “Finished, not perfect!” Und so lerne ich weiter beim Gehen in Sachen Kreativität, Kunst … und Philosophie. 😉
Das Zitat suchte ich aus, um dem Jahreswechsel einen positiven Impuls zu geben. Was meinst Du? Ist’s geeignet dafür?
zitatinte: Heraklit von Ephesos – Das Unverhoffte
[ 2023-12-27 Franziska Köppe | madiko ]
Wenn er’s nicht erhofft, wird er das Unverhoffte nicht finden.
Denn unerforschlich ist’s und unzugänglich.
Heraklit von Ephesos
[ griech. Philosoph, etwa 540 … 480 v. Chr. ]
Wie es nun mit zitatinte weitergeht, wird sich zeigen. In jedem Fall justiere ich. Mein aktuelles Konzept geht nicht auf. Es verbarrikadiert meine Kreativität. In den letzten Tagen spielte ich ein wenig mit Adobe Photoshop. Das ist eines der Ergebnisse. Mal schauen, wohin mich das Erkunden führt. Ich halte Dich auf dem Laufenden.
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Aus der Werkstatt [ KW50 ]
2023-12-16
Die Themen der Woche: Keine drehenden Teller für mich: COVID-19 ist nicht vorbei – die gemeinschaftliche Fürsorge von Vulnerablen sowie Eigenschutz. REXlive am Lagerfeuer: REDAXO und Maschinen-Lernen. Mein Engagement für quell-offene Programme: GitHub ausgepackt. Verkehrssicherheit für Radfahrende: zum aktuellen Stand von OpenBikeSensor. PodcastLiebe: WandelMut beim Tagesspiegel, mediasres zu künstlicher Intelligenz. Rechtsanwälte sind die wahren Künstler:innen: konstruktiver Aktionismus vom Zentrum für politische Schönheit. Zuguterletzt: 199 kleine Held:innen.
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