Aus der Werkstatt
Wochenrückblick KW29 / 2023
veröffentlicht: 21.07.2023 · Franziska Köppe | madiko
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Rezension
"Das journalistische Interview"
2001 erschien erstmals die Praxis-Anleitung für Journalist:innen von Jürgen Friedrichs und Ulrich Schwinges. Da ich bisher mit “gesundem Menschenverstand” an meine Gespräche mit Impulsgeber:innen aus meinem Netzwerk herangegangen bin und diesen Bereich im Rahmen von WandelMut nach und nach ausbauen werde, weckte das Sachbuch mein Interesse. Ein bisschen aufschlauen und die Arbeit professionalisieren – das kann ja nie schaden. Es war eines der ersten Bücher, die ich mir aus der Bibliothek geliehen hatte. Wo ich den Buch-Tipp aufschnappte, hat sich in meinem Gedächtnis nicht verfangen. Ich vermute, es war von Philipp Banse im Küchenstud.io. Oder doch von Holger via Übermedien? Egal, ich sag’ einfach Danke und grüße in beide Richtungen.
Das Werk lässt sich als Mix beschreiben aus groben Pinsel-Strichen für die theoretischen Grundlagen journalistischer Interviews und dafür einem umso ausgiebigeren, detaillierten Farbauftrag konstruktiver Kritik an vorgestellten Fallbeispielen. Grundhaltung und Anleitung der beiden Autoren wird mithin von der ersten Seite an aus der Praxis heraus aufgetragen. Mit “Interview” ist im Sinne des Buches ausschließlich die Befragung einer Politikerin oder eines Politikers gemeint. Ein reines Frage-Antwort-Spiel also zwischen Legislative und “vierter Gewalt”.
Das Interview ist ein wichtiger Bestandteil journalistischer Arbeit. Interviews dienen vielen Zielen, sie reichen von der aktuellen Information zu einer politischen Entscheidung über das Studiogespräch bis zur Talkshow. Was der Journalist mitbringen muss, ist vor allem seine Neugierde auf die Antworten des Befragten, ebenso die Fähigkeit, zuzuhören, aufgrund seiner Recherche gute Fragen zu stellen und die Antworten mit den zuvor recherchierten Informationen zu vergleichen.
Jürgen Friedrichs und Ulrich Schwinges
Köln / Hamburg, 2015-04
Quelle: Vorwort zur vierten Auflage “Das journalistische Interview”, Seite 7.
Andere Sektoren der Gesellschaft oder gar ein Gespräch auf Augenhöhe blendet das Buch komplett aus. Nachdem ich meine Enttäuschung über diese doch recht eng gefasste Definition von “Interview” überwunden hatte, dachte ich: Ach komm, jetzt hast’e es hier, kannst’e es auch lesen. 332 Seiten später ist mein Fazit gemischt. Meine Erwartung, wertvolles Fachwissen zu finden, wurde enttäuscht. Das wenige, was ich zusammenkratzen kann, lässt sich grob so umreißen:
- Anregungen zur professionellen Vorbereitung auf ein Interview.
- Eine Sammlung an Frage-Techniken für Interviews
(Auffrischung von Frage-Arten und Beispiele). - Eine holzschnitt-artige Check-Liste zur Qualität eines Interviews.
- Klarheit in meiner Rollen-Klärung als Journalistin, insbesondere im Hinblick auf gutes Zuhören (verbunden mit einer starken Zurückhaltung eigener Kompetenzen).
Zum Teil überblätterte ich großzügig Passagen, in denen Friedrichs und Schwinges minutiös Interviews oder – ein Graus! – Talkshows transkribierten, mit allerlei Fußnoten versahen und kommentierten. Immerhin: Die Autoren beschränken sich auf die öffentlich-rechtlichen Medien-Häuser aus Rundfunk und Fernsehen sowie große Tages-Zeitungen. Lesenswert ist es für mich lediglich insofern gewesen, als dass ich einen tieferen Einblick in die Vorgehensweisen und Spielregeln der “Medien” und der “Politik” erhielt. Das kürzlich viral gegangene Interview mit SPD-Politiker Philipp da Cunha konnte mich daher nicht überraschen. Markus Reuter erklärt das im verlinkten Artikel via Netzpolitik im Übrigen pointiert. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Beim Lesen werde ich das Gefühl nicht los, es mit – mit Verlaub – “alten, weißen Männern” zu tun zu haben. Das Sachbuch wirkt konservativ und behäbig. Der gesamte Duktus bleibt konventionellen Rollen-Mustern und gesellschaftlichen Strukturen verhangen. Das hilft, um die aktuelle Medien-Landschaft besser zu durchschauen. Zukunftsgewandt und konstruktiv wird Journalismus damit indes nicht. Wenn ich schreibend so darüber nachdenke, werde ich das Werk nicht in die WandelMut LeseLust aufnehmen. Hm. Na, ich frag das zu gegebener Zeit beim Bonn Institut nach. Noch ist ja Zeit, das zu entscheiden.
In diesem Zusammenhang könnte Dich mein Fachbeitrag interessieren, wie Wissenschaft(sKommunikation) in dieser Gemengelage aktuell ihren Platz erkämpft:
Vom Elfenbeinturm auf die öffentliche Bühne
Sprachwissenschaftler:innen erforschen den Sprachgebrauch in Gesellschaft, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Als anwendungsbezogene Forschung interessiert sie Sprache als soziales Handeln. Sie untersuchen die Folgen für die Meinungsbildung und den zwischenmenschlichen Zusammenhalt. Linguist:innen der TU Darmstadt und der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg analysierten den öffentlichen Diskurs in Zeiten der Pandemie COVID-19. Die Ergebnisse der empirischen Studie zeigen, welchen Herausforderungen sich die Forschenden stellen mussten, wie Politik und Wissenschaft miteinander rangen und welchen Einfluss Medien auf die öffentliche Wahrnehmung hatten. Sie leiten daraus Konsequenzen für zukünftige massen-mediale WissKomm (zum Beispiel im Hinblick auf den Klima-Notstand) ab.
2023-03-06 · Franziska Köppe | madiko
Ich gehe davon aus, dass ich für die kommenden Wochen eine längere Pause vom Lesen neuer Fachbücher einlege. Es steht das Programmieren von AddOns für REDAXO auf meinem Programm. Dazu das Schreiben von Texten, für das ich ohnehin Fach- / Sachliteratur wälzen und Wissen auffrischen werde. Programmieren und redaktionelle Arbeit an Fachtexten entzieht mir viel Energie. Da bleibt wenig Kapazität für wissenschaftliche Texte in für mich neuen Fachgebieten. Dasselbe gilt für die von mir heiß geliebten Wissenschafts-Podcasts. Ich nehme beides auf, sobald ich wieder aufnahmefähig bin. Da einfach drauf freuen. Etwas gut machen heißt zuweilen eben auch, auf Liebgewonnenes zu verzichten.
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