Aus der Werkstatt

Wochenrückblick KW31 / 2023

veröffentlicht: 04.08.2023 · Franziska Köppe | madiko

Zeichnung eines Bunsenbrenners mit Kolben an einem Stativ, Reagenzglas mit Setzling und ein Prisma als Symbole für eine wissenschaftliche Werkstatt / Wissensarbeiter:innen. Dazu der Titel Aus der Werkstatt 2023.

Die Themen der Woche: WandelMut – Kooperation angebahnt, erste Schritte in Sachen Community-Funktionalität gebastelt, Arbeitsumgebung angelegt, LinkedIn-Firmen-Profil runderneuert. Klima-Resilienz – Europas Gemüsegarten. Neue EU-Standards für die Berichterstattung nachhaltiger Entwicklung für börsennotierte, kleine und mittlere Unternehmen. D2030 Futures Lounge – das Gebäude-Energie-Gesetz im ZukunftsCheck. Neologismen und Wort-Nachwuchs. Podcast-Liebe: Sommer-Interviews zur “Lage der Nation” mit Schwerpunkt Umwelt und Wirtschaft, “Keine Jungpioniere” gibt Einblick in die Sozialisierung der ersten Nach-Wende-Generation in Ost-Deutschland.

Aus der Werkstatt 2023
[ 2023 Franziska Köppe | madiko ]

Tschüss Juli. Hallo August. Und so fliegt es dahin, das Jahr. Ich blicke zurück auf eine produktive Woche. Während sich viele im Urlaub erholen, sitze ich tapfer am Schreibtisch und arbeite mich durch den Berg an Aufgaben. Immerhin bin ich weitestgehend selbstbestimmt in meiner Zeiteinteilung. Diesen Zeitwohlstand koste ich aus.

In einem Wechselspiel aus Sonne und Regen ist der Sommer gerade wunderbar. Es reicht jedoch bei weitem nicht, was an Wasser aus den Wolken fällt. Die Wiesen sind trocken. Die Bäume lassen ihre Blätter hängen. Frisch im Saft steht da gar nix. Dabei rufe ich mir in Erinnerung, dass mein Leben in Stuttgart eine privilegierte Situation ist. Um die Grundwasser-Spiegel in Deutschland wieder aufzufüllen, müsste es ein ganzes Jahr lang durchregnen. Spree und Schwarze Elster versiegen. Auf dem Rhein kommt die Schifffahrt zum Erliegen, weil er zu wenig Wasser trägt.

Meine Social Media Abstinenz bringt Ruhe in meinen Alltag. Ich genieße es. Mir macht es Freude, Weblogs zu lesen. Via mediasres vom Deutschlandfunk denkt Marina Weisband über ihren Nachrichten-Konsum ohne Twitter nach. Ich kann das nachvollziehen. Erfreut stelle ich fest, dass ich diesen Trauer-Prozess, den sie beschreibt, längst abschloss. Max Buddenbohm fand passende Worte dafür:

Es ist außerdem, ich schreibe das nur noch mäßig interessiert für die Chronik, der Tag, an dem Twitter als Marke und damit für viele endgültig stirbt. Um den großen deutschen Dichter Rio Reiser zu zitieren: „Doch jetzt tut’s nicht mehr weh, nee, jetzt tut’s nicht mehr weh.“

Maximilian Buddenbohm

Quelle: Ferienhunger

Mit dem zweiten August begingen wir den Erd-ÜberlastungsTag. Seit Mittwoch leben wir als Menschheit also einmal mehr über die Regenerationsfähigkeit unseres Planeten hinaus. Würden alle Menschen weltweit leben wie wir in Deutschland rückte er vor auf den 4. Mai 2023.

Kein schönes Erbe, das wir hinterlassen. Gleichwohl weiß ich, dass ich auf meine psychische Gesundheit achten und mich davon nicht in eine Handlungsunfähigkeit manövrieren sollte. Also weiter an den Projekten arbeiten. Wohlan! Gehen wir nach nebenan in die Werkstatt.

WandelMut

Neues aus der Manufaktur für Lebens- & Arbeitswelten mit Zukunft

Kooperation angebahnt

Wie im letzten Bericht angekündigt, führte ich am Montag ein Vorgespräch für eine (weitere) Kooperation in Sachen WandelMut. Das Ergebnis ließ mich für ein paar Stunden verwirrt zurück: Vom Ausblick waren die beiden begeistert. Ja doch, das kann ich so stehen lassen.

Gleichwohl kamen wir im Auftakt nicht zusammen. Sie rüttelten gehörig an meinen Grundfesten und Überzeugungen. Wir tauschten Wissen und Erfahrungen in Transformationsprozessen von Organisationen und der Gesellschaft. Sie redeten mir ins unternehmerische Gewissen. Sie schlugen Anpassungen am Konzept vor. Wir sprachen über die Ausprägungen und Bestandteile eines „minimal brauchbaren und existenzfähigen Angebots“ (minimal viable product) des Portals. Wir klärten die Nische(n), in denen wir unterwegs sind, und wie gut sie harmonieren. Das tun sie. Das ist gar stimmiger geworden, wie ich finde.

Wir sprachen über das, was sie sich wünschen und erhoffen. Sie sind grundsätzlich offen für die Partnerschaft. Das schon. Dass wir über eine erste Draufschau nicht weiterkamen, führe ich darauf zurück, dass der Prototyp zu wenig zu greifen ist. Es war für diese Kooperation “zu früh”. Also zumindest für sie, um die Bereitwilligkeit zu entwickeln, aktiv mit einzusteigen. Ich bleibe dran.

Die ersten Gedanken aus unserem Gespräch ließ ich in mein Konzept einfließen. Ich bin erfreut, was durch diesen Impuls (fast schon war es eine Intervention) verbessert dasteht. Danke Euch beiden, falls Ihr hier mitlest 😉

Spannend war, mich in diesem Prozess selbst zu beobachten. Wie schnell sich vor allem mein Dickschädel Bahn brach und ich stoisch zurück zu meinem Vorhaben fand. Das vierstündige Gespräch hatte mich gehörig durchgewirbelt. Ein Mal drüber schlafen und die ersten Anregungen waren aufgenommen. Heute, am Ende der Woche, bin ich zufrieden mit den Änderungen. Mein Konzept ist klarer geworden. Meine Verwirrung war also vielleicht auch nur die Anstrengung nach vier Stunden Online-Konferenz? So ohne Pause, meine Güte, das können wir doch besser. Hab ich nicht aufgepasst! Beim nächsten Mal einen Wecker zur Erinnerung stellen.

Schon am Dienstag Mittag saß ich mit neuer Energie und Motivation am Schreibtisch. Schau an. Hätte ich nicht gedacht, dass ich so resilient auf diese “Störung” reagiere. Dabei spielte sicher ihre Begeisterung für mein Gesamt-Konzept eine Rolle. So trug unser Gespräch zu einer zweckdienlichen Iteration der Inhalte und des Geschäftsmodells bei. Fein!

Erste Schritte in Sachen Community

Um das Programmieren der Community-Funktionalität drückte ich mich lange. Das lag vor allem daran, dass ich mich nicht sattelfest in MySQL und PHP fühl(t)e. Diese Woche nun ging ich es mutig an. Ich nahm eine Instanz der REDAXO Community-Demo in Betrieb. Das hat reibungslos geklappt. Soweit ich das bisher sehe, ist sie eine gute Vorlage, wie die Basics gelöst werden können. Vor allem die Sicherheitseinstellungen dort finde ich interessant. Da kann ich mir einige der Funktionen und Einstellungen abschauen.

Mithin las ich lange in der Doku, im Code und in der Datenbank. Erstaunt stelle ich fest, dass ich über die viele Vorarbeit und das Lernen beim Tun nun in der Lage bin, sie zu verstehen. Schau an! Jetzt bin ich gespannt, wie gut ich im Umsetzen zurechtkomme. Im Adaptieren liegen die Stolpersteine. Als Haeckse in Ausbildung weiß ich das. Nächste Woche geht es weiter.

Bevor ich ins Programmieren einsteigen kann, tüftel ich an den Algorithmen – sowohl an den Entscheidungs- und Handlungs-Prozessen der Beteiligten als auch an den digitalen Abläufen. Ich gehe dabei alle Eventualitäten durch, die verbunden sind mit dem Registrierungsprozess, dem laufenden Betrieb, den Zahlungsströmen (Steady einbinden und so), dem Anlegen von Profilen, dem Administrieren von “Organisationen” und den vielen schnieken Funktionalitäten, die ich für die Bewegung und Kooperative im Kopf habe. Nicht alles wird es im ersten Wurf geben, eh klar. Alles mal von Anfang bis Ende gedacht, legt jedoch eine gute Basis. Und ich laufe nicht in Sackgassen, die von vornherein vermeidbar gewesen wären. Gut vorbereitet sein. Darauf kommt es an. Dann flexibel und adaptiv in der Umsetzung bleiben.

Ich starte mit dem einfachsten Prozess. Diesen denke ich ein Mal aus Sicht der Nutzenden. Dann aus Sicht der Organisation WandelMut (was braucht sie, damit es funktioniert). Dann aus meiner persönlichen Sicht (wie kann ich Euch und mir so viel wie möglich automatisieren). Und schließlich aus dokumentarischer Sicht (Vater Staat hat da ja auch seine Vorstellungen, wie was zu laufen hat). So etwas wie Datenschutz und Datensicherheit gehören in diesen Überlegungen genauso mit dazu wie Schnittstellen, Bedienerführung, Barrierefreiheit und so weiter. Conceptboard macht’s möglich, dass ich dabei den Überblick nicht verliere.

Ist der Basis-Prozess in seinen Perspektiven aufgebaut, gilt es, die diffizileren Algorithmen zu durchlaufen. Nach und nach kann ich so die Komplexität erhöhen. Ich erhoffe mir, die Engpässe aufzuspüren und Optimierungspotenziale zu finden. Am kniffligsten scheint mir die Sache mit der Administration der organisationalen Profile. Sobald es mehr als eine Person gibt, die sie pflegen und weiterentwickeln können sollen, wird es heikel. Wer darf was? Wie ordne ich die Nutzer:innen und Angebote der Organisation zu? Wie laufen Genehmigungs-Prozesse? Was passiert, wenn Verträge auslaufen, Personen aus der Organisation aussteigen und so weiter und so fort. Das alles ist recht kompliziert. Da darf ich nicht schludern. Es wäre ein Boomerang, wie ich diese nicht zu Ende gedachten Fallstricke nenne.

Sobald mein Grob-Konzept steht, schaue ich, was REDAXO von Haus aus mitbringt. Das ist beachtlich. So viel weiß ich schon. Im AddOn und in der Demo sind die zentralen Dinge ausgetüftelt und stehen quelloffen zur Verfügung. Da YCom, das wiederum auf YForm aufbaut, in zahlreichen Anwendungen verbaut ist, sind die AddOns nicht nur stetig weiterentwickelt worden zu einer stabilen Lösung. Die Community baut kontinuierlich neue, sinnvolle Funktionalitäten dazu. Beispielsweise bin ich heilfroh, dass es für das ganze “DSGVO-Gedöns” oder auch für die Medien-Rechte-Vergabe eigene AddOns gibt. Sie tun, was sie sollen. Noch die individuellen Einstellungen im Backend vornehmen. Fertig! Dafür liebe ich die Open-Source-Community. Gerade in seiner Modularität erweist sich das CMS REDAXO als solide Basis. Danke. Danke. Danke. Ich kann es gar nicht häufig genug sagen!

Auch wenn ich seit zwei Dekaden Erfahrungen im Erarbeiten von Systemen wie diesem habe, werde ich mich zunächst beratschlagen mit Kolleg:innen bevor ich die ersten Zeilen Programm-Code schreibe. Besonders freue ich mich, dass sich Jan von YAKAMARA, die REDAXO YCom entwickeln, bereit erklärt hat, drüberzuschauen und mich zu beraten. Ebenfalls offen sind die Kolleg:innen von Steady, meiner Crowd-Financing-Plattform. Wenn ich alles in den API-Schnittstellen richtig verstanden habe, werden sich beide Systeme gut verstehen. Vielleicht reicht es, wenn ich die Anleitung noch drei Mal lese. Zuweilen brauche ich eine Weile, bis der Groschen bei mir fällt. ¯\_(ツ)_/¯ Beispielsweise knabbere ich daran, die jeweiligen Übergänge zwischen den Systemen im Detail nachvollziehen zu können. Zudem hoffe ich auf ihre Einschätzung zum bestmöglichen Vorgehen. Mit jemandem reden, der das nicht zum ersten Mal macht, ist ja doch immer gut. Es wird sich finden.

Fazit für diese Woche: Meine ersten Schritte in Richtung Community sind vielversprechend. Diese Funktionalität zu integrieren wird der größte Meilen-Stein auf dem Weg zum Portal. Ich bin guter Dinge, dass jetzt die Zeit reif ist, dass es gelingt.

Arbeitsumgebung angelegt

Neben dem Aufsetzen des neuen Systems für WandelMut legte ich mir zwei-drei Entwicklungsumgebungen für meine Vorarbeit im Programmieren der AddOns und Erweiterungen an. Das ging ganz passabel vonstatten.

Einzig: Ich sollte sorgsamer mit dem Anlegen von MySQL-Datenbanken sein. Eine Datenbank umzubenennen ist blöd. Das sollte ich zukünftig vermeiden. Merke: Namensschlüssel beachten und Unterstrich (underscore) statt Bindestriche. Dann klappts auch mit MySQL.

Ich räumte zudem einiges an Daten auf, löschte großzügig was ich nicht mehr brauche. GitHub repositories auf “read only” ins Archiv verschieben oder ganz löschen. Platz schaffen fürs Neue. Ich war wirklich produktiv diese Woche.

LinkedIn runderneuert

In einer spontanen Hau-Ruck-Aktion stellte ich gestern via LinkedIn meinen “Company”-Account für EnjoyWork auf WandelMut. Wieder ein kleines Puzzel-Teilchen auf dem Weg zum neuen Portal.

Die Spontanität der Entscheidung wurde angestupft durch eine konkrete Anfrage für den persönlichen Kontakt. Wie es halt manchmal so ist. Bevor ich dieser Person den Link zum veralteten Profil sandte, bastelte ich kurzerhand eine rudimentäre Version des neuen Firmen-Eintrags. Das ging erstaunlich unkompliziert. Sehr schön.

Parallel zum Umsetzen der Aufgabe, schwebte ich in der Rolle der Beobachterin drüber. TransformationsKatalyse hat stets viele Ebenen. Wie ich da also die Formulare bei LinkedIn ausfüllte und die IT-Prozesse der “Um-Firmierung” durchlief, schaute ich aus der Perspektive der Software-Entwickler:in und UX-Designer:in drauf. Das gab mir die ein oder andere Idee fürs Portal. Kopieren, Nachbauen, Adaptieren ist bei Bediener-Führung zumeist die beste Strategie. Warum die Leute zwingen, etwas umzulernen? Die Abläufe bei LinkedIn jedenfalls entsprachen meiner Routine so gut, dass ich mühelos alles umsetzen konnte. Ein guter Ausgangspunkt für die eigenen Überlegungen.

Bei der Gelegenheit putzte ich grob übers persönliche LinkedIn-Profil. Ich bin da recht nachlässig, muss ich zu meiner Schande gestehen. Doch wer hat Zeit, das stets aktuell zu halten?! Ich poste regelmäßig meine Blog-Beiträge. Und freue mich, wenn’s dafür ein “Daumen-hoch” von Leuten aus meinem Netzwerk gibt.

Klima-Resilienz:
Europas Gemüsegarten

Ob Orangen, Wassermelonen, Gurken, Paprika oder Kopfsalat: Was für viele fast wie selbstverständlich im Supermarktregal liegt, kommt zu einem Großteil aus Südeuropa. Doch der Gemüsegarten Europas, wie Spanien und insbesondere die dortigen Anbaugebiete in Andalusien genannt werden, ist immer häufiger von Extremwetter wie Dürre oder Starkregen betroffen.

Gut ein Viertel (26 %) seiner Obst- und Gemüseimporte im Jahr 2022 bezog Deutschland aus Spanien. Rund 1,6 Millionen Tonnen Obst und 1,3 Millionen Tonnen Gemüse wurden vergangenes Jahr von dort importiert. […]

Bei einzelnen Obst- und Gemüsearten zeigt sich die Abhängigkeit von Importen aus Spanien besonders deutlich: Von dort kamen 2022 rund 350 700 Tonnen oder 79 % aller importierten Orangen, bei Wassermelonen und Melonen waren es 52 % (285 300 Tonnen). Auch bei Gurken (43 %, 233 100 Tonnen), Paprika (50 %, 200 000 Tonnen), Salaten (50 %, 134 400 Tonnen) und Speisezwiebeln (46 %, 95 100 Tonnen) war Spanien das wichtigste Herkunftsland.

Allerdings zeigen sich Unterschiede zwischen den einzelnen Obst- und Gemüsearten beim Verhältnis der Import- zu den Erntemengen hierzulande. Während Deutschland beispielsweise bei Paprika stark auf Importe setzen muss, werden Speisezwiebeln in größerer Menge hierzulande geerntet als eingeführt. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 wurden in Deutschland 578 200 Tonnen Speisezwiebeln geerntet und insgesamt 207 200 Tonnen importiert. Gleichzeitig wurden nur rund 16 900 Tonnen Paprika geerntet, die hierzulande praktisch nur in Gewächshäusern und anderen hohen begehbaren Schutzabdeckungen erzeugt werden. Insgesamt importiert wurden 403 600 Tonnen Paprika.

Der wichtigste Lieferant war Spanien für Deutschland 2022 etwa auch bei Pfirsichen und Nektarinen mit 67 % aller Importe sowie bei Zitronen (72 %), Zucchini (68 %) und Auberginen (50 %). […]

Obst und Gemüse wird nicht nur aus dem Ausland importiert, ein Teil stammt auch aus heimischer Produktion. Hierzulande haben Landwirtschaftsbetriebe im Jahr 2022 insgesamt 3,8 Millionen Tonnen Gemüse geerntet. Damit fiel die Gemüseernte 2022 rund 12 % geringer aus als im Rekordjahr 2021. Die Gemüseart mit der größten Erntemenge in Deutschland waren wie in den Vorjahren Möhren und Karotten (780 500 Tonnen), gefolgt von Speisezwiebeln (578 200 Tonnen) und Weißkohl (384 700 Tonnen).

Neben Gemüse wurden hierzulande im vergangenen Jahr 1,4 Millionen Tonnen Obst einschließlich Strauchbeeren und Erdbeeren geerntet – gut drei Viertel davon waren Äpfel (77 %).

Statistisches Bundesamt Deutschland (Destatis)

Quelle: 26 % aller Obst- und Gemüseimporte kamen 2022 aus Spanien
(Presse-Info vom 2023-07-24, abgerufen am 2023-08-04)

Für mich ist die Konsequenz aus diesen Zahlen: mit Bedacht darauf zu achten, in welchen Obst- bzw. Gemüse-Korb ich beim Einkaufen greife. Wie teuer uns Billigheimer-Angebote zu stehen kommen werden! Ich denke mit Graus an die nicht abgerufene und daher von Bauern aus schierer Verzweiflung vernichtete Erdbeer-Ernte aus dem letzten Jahr.

Momentan gelingt mir, die Mengen richtig abzuschätzen, die ich verarbeiten kann. Es ist mein Beitrag, der Lebensmittel-Verschwendung Herrin zu werden. Beim Blick auf die Summe des Einkaufszettels werde ich ja ohnehin schon blass. Das ist also durchaus in meinem Interesse.

Wie das wohl zukünftig sein wird? Nicht nur, dass wir uns die Importe leisten können müssen. Nicht nur, dass wir damit stark abhängig sind von anderen Ländern. Nicht nur, dass wir Menschen ihre Lebensmittel wegfuttern – weil wir sie ausbeuten. Doch wie lange kann so ein fragiles System gut gehen? Erst recht im Klima-Wandel?

Themen-Wechsel! Gibt’s nicht auch gute Nachrichten? Natürlich! Die gibt es:

European Sustainability
Reporting Standards (ESRS)

Nachhaltigkeit und Klima-Schutz nun fest in der EU gesetzlich verankert

Die EU-Kommission veröffentlichte am Montag (31.07.2023) die finalen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) Set 1. Dieser Rechtsakt ergänzt die Richtlinie zur Rechnungslegung um die Nachhaltigkeits-Berichterstattung. Großunternehmen (ab 250 Mitarbeitende) und börsennotierte, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden darin verpflichtet, regelmäßig Berichte über ihre Sozial- und Umweltrisiken sowie über die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Mensch und Umwelt zu veröffentlichen.

Der Delegierte Rechtsakt tritt in Kraft ab 2024-01-01 für Geschäftsjahre, die am oder nach diesem Datum beginnen. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Für börsen-notierte KMU gibt es Übergangsfristen (siehe Seite 10).

Es geht dabei um sämtliche Angaben, die erforderlich sind, um zu verstehen, wie Nachhaltigkeitsaspekte den Geschäftsverlauf, das Geschäftsergebnis und die Lage des Unternehmens beeinflussen. In diesem ersten delegierten Rechtsakt werden bereichsübergreifende Richtlinien sowie Standards für das Offenlegen von Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten festgelegt. Konkret heißt das:

Diese Informationen haben Angaben über kurz-, mittel- und langfristige Zeiträume sowie Folgendes zu enthalten:

  • eine kurze Beschreibung von Geschäftsmodell und Strategie des Unternehmens;
  • eine Beschreibung der zeitgebundenen Ziele hinsichtlich der Nachhaltigkeitsaspekte, die sich das Unternehmen gesetzt hat;
  • eine Beschreibung der Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten sowie ihres Fachwissens und ihrer Fähigkeiten zur Wahrnehmung dieser Rolle oder ihres Zugangs zu solchem Fachwissen und solchen Fähigkeiten;
  • eine Beschreibung der Unternehmenspolitik hinsichtlich Nachhaltigkeitsaspekten;
  • Angaben über das Vorhandensein von mit Nachhaltigkeitsaspekten verknüpften Anreizsystemen;
  • eine Beschreibung des vom Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte durchgeführten Verfahrens zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht;
  • die wichtigsten tatsächlichen oder potenziellen negativen Auswirkungen, die mit der eigenen Geschäftstätigkeit des Unternehmens und mit seiner Wertschöpfungskette verknüpft sind;
  • ergriffene Maßnahmen des Unternehmens in Bezug auf tatsächliche oder potenzielle negative Auswirkungen und der Erfolg dieser Maßnahmen;
  • eine Beschreibung der wichtigsten Risiken, denen das Unternehmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten ausgesetzt ist;
  • Indikatoren, die für die erforderlichen Angaben relevant sind. Gegebenenfalls haben sie Informationen über die eigenen Tätigkeiten des Unternehmens und über seine Wertschöpfungskette zu enthalten, einschließlich seiner Produkte und Dienstleistungen, seiner Geschäftsbeziehungen und seiner Lieferkette.

Member States expert group on sustainable finance (E03603)
der Europäischen Kommission

Nach einer 4-wöchigen Konsultation im Juni hat die EU-Kommission die Delegierte Verordnung zur Ergänzung der Richtlinie 2013/34/EU sowie zwei Anhänge offiziell angenommen. In Deutschland sind mehr als 15.000 Unternehmen aufgefordert, zukünftig anhand der ESRS ihre Nachhaltigkeitsleistungen transparent offenzulegen. Der EU-Kommission ist dabei gelungen, die Zahl der einzelnen Daten-Punkte um 50% zu reduzieren.

Zudem wurde darauf geachtet, dass es eine bessere Inter-Operabilität mit künftigen Vorgaben des International Sustainability Standards Board gewährleistet ist. Schon, um doppelte Arbeit und eine überbordende Administration zu mindern. Als problematisch könnte sich erweisen, dass Unternehmen überlassen wird, eine eigene Einschätzung der “Wesentlichkeit des Klimawandels” zu bestimmen (Seite 7 im Delegierten Rechtsakt). Dort heißt es:

Kommt ein Unternehmen zu dem Schluss, dass der Klimawandel nicht wesentlich ist, und lässt daher die Angaben im Einklang mit dem Standard aus, so legt es eine detaillierte Erläuterung der Schlussfolgerungen seiner Bewertung der Wesentlichkeit in Bezug auf den Klimawandel vor. Diese Bestimmung ist in Anerkennung der weitverbreiteten und systemischen Auswirkungen des Klimawandels auf die Wirtschaft als Ganzes enthalten.

Kommt ein Unternehmen zu dem Schluss, dass ein Datenpunkt, der sich aus der Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzinformationen, der Benchmark-Verordnung oder den Angabepflichten der EigenkapitalVerordnung in Bezug auf die „dritte Säule“ ergibt, nicht wesentlich ist, so muss es ausdrücklich angeben, dass der betreffende Datenpunkt „nicht wesentlich“ ist. Darüber hinaus müssen Unternehmen eine Tabelle mit allen solchen Datenpunkten angeben, aus der hervorgeht, wo sie in ihrer Nachhaltigkeitserklärung zu finden sind, oder die gegebenenfalls mit der Angabe „nicht wesentlich“ zu versehen sind.

Diese Bestimmungen sollen es den Finanzmarkt-Teilnehmern, Referenzwert-Administratoren und Finanz-Instituten erleichtern, ihren eigenen Angabe-Pflichten gemäß der Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungs-Pflichten im Finanz-Dienstleistungs-Sektor, der Benchmark-Verordnung und der Eigenkapital-Verordnung nachzukommen.

Member States expert group on sustainable finance (E03603)
der Europäischen Kommission

Nun, wir werden sehen. Immerhin ist ein komplettes Ignorieren und Ausblenden nicht mehr möglich. Das werte ich als gelungene Initiative und einen wichtigen Schritt in der Transformation Europas in Richtung Klima-Resilienz. Zudem dienen Standards bestenfalls dazu, dass sich die Menschen in den betreffenden Unternehmen mit den Themen auseinandersetzen. Mögen es mehr als die Teams aus Controlling, Marketing und der Presse-Abteilung sein! Zum Delegierten Rechtsakt wurden von der Europäischen Kommission folgende Anhänge beigefügt:

  • Bereichsübergreifende Standards (Anhang I)
    • ESRS 1 Allgemeine Anforderungen
    • ESRS 2 Allgemeine Angaben
  • Standards in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (Anhang I)
    • ESRS E1 Klimawandel
    • ESRS E2 Umweltverschmutzung
    • ESRS E3 Wasser- und Meeresressourcen
    • ESRS E4 Biologische Vielfalt und Ökosysteme
    • ESRS E5 Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft
    • ESRS S1 Eigene Belegschaft
    • ESRS S2 Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette
    • ESRS S3 Betroffene Gemeinschaften
    • ESRS S4 Verbraucher und Endnutzer
    • ESRS G1 Unternehmenspolitik

Liste der Akronyme und das Glossar mit den Definitionen, die für die Zwecke der Durchführung der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Einklang mit den ESRS zu verwenden. All dies findet sich in Anhang II.

Die Links zu den Anhängen finden sich ebenfalls via European Sustainability Reporting Standards (ESRS) Set 1. Ich freue mich, dass in meinem WandelMut-Netzwerk die ersten Kooperationspartner bereitstehen, KMU in dieser Aufgabe zu unterstützen. Denn spätestens als Teil der “Zuliefer-Kette” kommt diese Pflicht auf uns als verlängerte Werkbank und Zulieferer zu. Sei also gut vorbereitet!

Das Gebäude-Energie-Gesetz
im Zukunftscheck

Rückblende D2030 Futures Lounge "Transformation und Demokratie"

Eingeladen von der Initiative D2030 – Deutschland neu denken e.V. lieferten sich am Mittwoch Abend Volker Quaschning, Advokat der Erneuerbaren, und Markus Ahorner, erklärter Kritiker der Energie-Wende, ein Rede-Duell.1

Volker stieg in seinem zehn-minütigen Auftakt ein mit einer kurzen Erinnerung, wieso es die Wärme-Wende braucht, wollen wir die Auswirkungen des Klima-Wandels für uns Menschen abmildern. Er sprach insbesondere die Dringlichkeit an und begründete sie. Knackig analysierte er aus natur-wissenschaftlicher und technischer Sicht verschiedene Optionen der Wärme-Energie-Wende einschließlich ihrer Nebenwirkungen. Sein Fazit lag dann nahe: Jetzt investieren und den Umbau voranbringen, um versunkene Kosten zu minimieren und zukünftige, deutlich höher liegende Ausgaben und Aufwände gar nicht erst entstehen zu lassen.

Markus stieg von einer anderen Seite in die Diskussion ein. Das fand ich (zunächst) spannend. Er ging – nach leider zu ausführlicher Eigen-Darstellung – auf die gesellschaftliche Transformation ein, wie sie sich aus seiner Sicht darstellt. Er machte die Veränderung an technischer Machbarkeit, am politischen Rahmen, an Wirtschaftlichkeit und der Akzeptanz durch die Büger:innen fest. Er sprach über die demokratischen Prozesse der Willensbildung, der individuellen Entscheidungen sowie der Umsetzung vor Ort. Er beschrieb die Grundlagen dafür mit objektiven Fakten und Daten. Diese werden anschließend subjektiv bewertet und führen schließlich zum persönlichen Entschluss. Er führte weiterhin sein Gedankenspiel aus, dass diese dann an der Realität geprüft und im Spannungsfeld aus Wunsch und Wirklichkeit abgearbeitet werden. Eine Lösung kam von ihm nicht, auch nicht auf Nachfrage. Es blieb ein einziges Aufreihen mit dem Tenor “geht nicht”.

Den Auftakt mit diesen zwei Perspektiven – der naturwissenschaftlich-technischen und der gesellschaftlich-transformativen – fand ich durchaus eine gute Basis für eine Diskussion. Hier hätte man ansetzen und Brücken bauen können. Doch leider kam es anders. Statt konstruktiv ins Gespräch einzusteigen, waren die folgenden Minuten schwer erträglich für mich. Denn nun folgte, dass Volker gezwungen war, eine Finte nach der anderen zu widerlegen.

Vor allem ein Wiederaufgreifen der zum Glück für Deutschland längst abgeschlossenen Debatte um das Nutzen der Kernkraft warf uns in der Diskussion zurück. Nicht nur, dass zum Vergleich herangezogene Frankreich schon 2022 seine Atomkraftwerke aufgrund der Dürre nicht ausreichend kühlen konnte – also noch bevor die diesjährige Hitze-Welle über Mitteleuropa brütete. Die Situation im Niger und der Sahel-Zone in Afrika macht die Aussichten auf Uran-Lieferungen nicht gerade antifragiler. Von der ungeklärten Endlagerung des Atom-Mülls mal ganz abgesehen. Und wann im Gespräch kommen diese Nebelkerzen? Genau: Sobald es um konkrete Lösungsvorschläge geht.

All diese Schein-Argumente brachten den durchaus konstruktiv gestarteten Austausch sofort zum Erliegen. Statt weiterzudenken, galt es Mythen und Vorbehalte auszuräumen. Es macht mich so mütend. Denn es ist die bewährte Strategie der Verhinderer: Uns mit dem Richtig-Stellen von Aussagen beschäftigen, dass wir zu den wirklich wichtigen Punkten, die unsere Aufmerksamkeit verdienen, gar nicht mehr kommen.

In meinem kurzen Statement versuchte ich, es dennoch hinzubekommen. Ich muss es in der Aufzeichnung anhören, um beurteilen zu können, ob mir dies gelungen ist. Zu dem Zeitpunkt (21 Uhr) war ich nicht nur angefressen und genervt, ich war müde. Das Video wird sicher in den nächsten Tagen via Futures Lounge beim D2030 veröffentlicht. Dann füge ich es hier ein.


In Chronisten-Pflicht halte ich zudem fest, dass von mehr als 100 via LinkedIn angemeldeten Teilnehmenden gerade 20 beim Treffen dabei waren. Warum vier Fünftel nicht erschienen, erschließt sich mir nicht. Ich empfinde es als sehr unhöflich gegenüber den Impulsgeber:innen und Veranstalter:innen. Offensichtlich breitet sich diese Unsitte in Digitalien weiter aus.

[ 1 ] Ich verzichte hier bewusst auf das Verlinken. Klima-Wende-Schwurblern und Verbreitern von Falsch-Informationen gebe ich keinen Rückenwind.

Neologismen

... und die Geburtsstunden von Wortnachwuchs

Ich habe ein neues Wort gelernt. Von T. aka formschub: Neologismen. Also schlug ich bei Wikipedia2 nach:

Dem Ausdruck “Neologismus” liegen die altgriechischen Wörter νέος (neos, “neu”) und λόγος (logos, “Wort” oder “Rede”) zugrunde. Ins Deutsche könnte Neologismus daher mit “Neuwort”, “neues Wort” oder “neue Rede(wendung)” übersetzt werden.

Ein Neologismus ist mithin eine innerhalb einer Sprachgemeinschaft in den allgemeinen Gebrauch übergegangene sprachliche Neuprägung, das heißt:

  • ein neu geschaffener sprachlicher Ausdruck,
    • also ein Wort (Neuwort) oder
    • eine Wendung (genauer: eine lexikalische Einheit) oder
  • eine neue Bedeutung,
    • mit der ein bereits vorhandenes Wort bzw. ein ebensolcher Ausdruck versehen wird (Neubedeutung), oder
    • das Wort bzw. der Ausdruck selbst, dem die Neubedeutung zukommt.

Wenn es in der Sprachgemeinschaft Verbreitung findet, geht das Neu-Wort in die Wörterbücher ein, die den Wortschatz dieser Sprache kodifizieren. Charakteristisch für Neologismen ist, dass die Sprecher:innen sie für eine gewisse Zeit als neu empfinden. Welche Wörter (noch) Neologismen sind, hängt demgemäß vom Zeitpunkt ab, zu dem der Wortschatz einer Sprache betrachtet oder untersucht wird.

Neben den in allgemein-sprachlichen Standard-Wörterbüchern erfassten Neologismen gibt es für viele Sprachen Spezial-Wörterbücher, die ausschließlich diesen Teil des Wortschatzes behandeln.

[ 2 ] Quelle: Neologismus via Wikipedia, abgerufen und sprachlich für diesen Blog adaptiert am 2023-08-04

formschub sammelt seit 2009 diese “Wortgeburten”. Eine ganze Reihe stellt er vor. “NippRinge” und “GenitivReservat” finde ich besonders schön. Die gehen direkt in meinen Sprachgebrauch über. Andere habe ich bereitwillig bereits als Kind in meinen Wortschatz aufgenommen. “DrahtEsel”, “KlapperKiste” und “RatzeFummel” beispielsweise. Andere schlichen sich ein übers wiederholte Hören bei Freundinnen, Bekannten, Kolleg:innen: “HerzKasper”, “SchnapsIdee”, “Pappenheimer”, “MiesePeter”, “FrackSausen”, “KorintenKacker”, “LackAffe”, “ZukunftsMusik” – die Liste ist lang. Sehr schön auch “HüftGold”. Mir fällt auf, dass im Deutschen Wortgeburten wohl hauptsächlich aus dem Zusammensetzen zweier Begriffe entstehen und sie so mit ihrem eigenen Sinn aufgeladen werden.

Zuweilen wehre ich mich auch vehement gegen Wort-Ungetüme, die – vor allem im politischen Diskurs – die Gegenseite negativ rahmen sollen: “KlimaKleber”, “HeizHammer” oder “Ossi” (Mensch, geboren in Ost-Deutschland zur Zeit der DDR), “Wessi” (Mensch, geboren in der Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung), “Wossi” (ein im Westen Deutschlands lebender, gebürtiger “Ossi”) und “Besser-Wessi” (ein “Wessi”, der 1990 in die seinerzeit als “neue Bundesländer” bezeichneten Gebiete umzog, um dort Führungsaufgaben zu übernehmen; oftmals agierten sie in einer anmaßend-überheblichen Art, die die Erfahrungen und das praktische Können der Menschen vor Ort in Entscheidungen nicht einfließen ließ. Was zu dieser, aus Besserwisser abgeleiteten Wortschöpfung führte).

Sprache ist doch etwas Tolles. So unendlich vielfältig, dass man im Prinzip alles damit ausdrücken kann und doch so beschränkt, wenn einem manchmal die Worte fehlen. So einfach und logisch und doch so inkonsequent, komplex und manchmal verwirrend. So präzise und doch oft so doppeldeutig.

Man kann Dinge sagen, indem man sie knapp und pointiert formuliert oder indem man sie überbordend ausschmückt, doch manche ellenlangen Texte bleiben trotzdem nach dem Lesen komplett unverständlich. Manchmal genügt ein einziges Wort, um alles von Belang mitzuteilen und manchmal gibt es sogar Momente, in denen unendlich viel gesagt werden kann, indem man einfach nur schweigt.

Sprache ist eine Plattform, auf der alle sich verständigen können, die sie beherrschen und doch ändert sie sich ständig und niemand, kein:e Politiker:innen und kein:e Populist:innen können diesen Prozess auf Dauer unterbinden. Es gibt zehntausende von Wörtern und doch sind es nie genug, so dass ständig neue hinzu kommen und jedes Synonym, das es für ein Wort gibt, hat eine abweichende Nuance in seiner Bedeutung. […]

Das eigentlich Spannende ist für mich, warum solche Begriffe sich ab dem Zeitpunkt ihrer Entstehung verbreitet und schließlich regional oder im gesamten Sprachraum im Wortschatz etabliert haben. Denn anders als die obengenannten politischen Neologismen, die bewusst zum Zweck des Framings und der Beeinflussung erschaffen und anschließend gezielt über Kommunikation und Medien verbreitet wurden, sind solche »klassischen« Begriffe vermutlich nicht absichtlich entstanden, um möglichst große Verbreitung zu finden, sondern wohl eher aus dem Bedarf heraus, spontan in einem Gespräch oder einem Text für einen Sachverhalt ein Wort zu kreieren, das dessen Benennung eine treffendere, manchmal spöttische oder humorvolle Bedeutungsebene hinzufügt.

Das allein ist aber noch kein Grund dafür, dass das Wort danach außer dem Erfinder noch irgendjemand anders verwendet oder dass es sogar »viral geht« und sich auf die gesamte Sprachgemeinschaft ausbreitet. Es könnte genauso gut verhallen und nie wieder genutzt werden, was vermutlich auch vielen originellen Neologismen beschieden war, die einfach zur falschen Zeit am falschen Ort geboren wurden und trotz ihres Witzes oder ihrer Pointiertheit wieder in Vergessenheit gerieten. Wie gerne würde ich einige davon kennen!

T. aka formschub

Neben einer großen Liste an weiteren Neurologismen arbeitet sich formschub im Beitrag vor an die Wurzeln des Begriffs “Entsorgung”. Das ist super spannend zu lesen. Ein Terminus, der heute so tief eingegraben ist in unseren Sprachgebrauch. Dabei ist er gerade mal so alt, wie ich es bin. Schau an!

Podcast-Liebe

Auch wenn dieser Werkstattbericht recht lang geworden ist, lass mich noch ein bisschen Podcast-Liebe verbreiten. Es waren nämlich sehr hörenswerte Folgen dabei, die ich Dir ans Herz legen möchte.

Lage der Nation

Podcast: Lage der Nation

Ulf und Philip machen derzeit Sommerpause. Es sei ihnen gegönnt. Derweil unterhalten sie uns mit sehr guten “Sommer-Interviews”. Zu Gast sind:

Steffi Lemke, Bundes-Ministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (Folge LdN341). Sie erzählt von der Umweltschutz-Bewegung in der DDR. Sie räumt mit dem Mythos auf, Nachhaltigkeit wäre den Leuten im Osten egal. Sie berichtet über die Oder – über das Fisch-Sterben und den länder-übergreifenden, politischen Willensbildungs-Prozess in Fragen zum Ausbau des Flusses zur Wasserstraße. Zu dritt diskutieren sie Infrastruktur(en) und was getan werden kann (muss), um Rechtsextremismus sinnvoll zu begegnen.

In Folge LdN342 ist Monika Schnitzer zu Gast. Die WirtschaftsWissenschaftlerin ist Vorsitzende des Sachverständigenrats für Wirtschaft und lehrt an der Volkswirtschaftlichen Fakultät der LMU München. Mit ihr diskutieren Ulf und Philip die Renten-Krise und mögliche Lösungswege. Dabei geht es um Verteilungspolitik, um Staatsschulden, um die Verantwortung Ärmeren und nachfolgenden Generationen gegenüber. Ferner erörtern sie Investitionen und Kassenlage, Inflation, Subventionen und Klima-Resilienz, die die Klammer um alles bilden muss.

Gast der Folge LdN343 ist Jochem Marotzke. Beim im Jahr 2014 erschienenen Fünften Sachstandsbericht des IPCC war er koordinierender Leitautor zur Evaluierung von Klimamodellen. Im Sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats (2021) war er einer der beiden koordinierenden Leitautoren des Kapitels “Künftiges globales Klima: Szenario-basierte Projektionen und kurzfristige Informationen” (AR6, WGI, Kapitel 4). Es ist beeindruckend, mit welch Ruhe er von seinen Forschungsergebnissen berichtet. Aus der Fülle an Themen die wichtigsten herauszugreifen, fällt mir nicht leicht. Neben einer knackigen Erläuterung der naturwissenschaftlichen Grundlagen hinterfragen Ulf und Philip mit ihm die Auswirkungen des Klima-Wandels für Zentral-Europa. Sie diskutieren Zufälle und Trends im Klimasystem. Es geht um die Rolle der Ozeane fürs Weltklima, um Kipp-Punkte (allen voran die Atlantik-Zirkulation mit dem inhärenten Golfstrom-System). Interessant auch, wie sie die globale “CO2-Müllabfuhr” und negative Emissionen sowie den technischen Klimaschutz aufarbeiten.

Leider wird mit und in all ihren Gesprächen deutlich, dass Deutschland hervorragende KlimaFolgenForscher:innen hat – sich indes im Umsetzen vom Pionier und internationalen Vorbild zum Verhinderer – und schleichend zum Schlusslicht verändert hat. Während ich den Triologen folge, hoffe ich, dass trotz Sommer-Pause viele Politiker:innen und Leute “aus der Wirtschaft” zuhören. Und dass sie zurück zum Umsetzungswillen und der Freude an einer Vorreiter-Rolle finden. Ich wünsche es mir – und uns.

Foto: Podcast: Lage der Nation
[ 2016-03 Lage der Nation. Philip Banse und Ulf Buermeyer. ]

Keine Jungpioniere

Illustration für den Podcast Keine Jungpioniere. Zu sehen ist Lucas (sitzend auf einem typischen Plastik-Stuhl der DDR. Er trägt Kopfhörer und sitzt vor einem Audio-Schaltpult. Ihm gegenüber sitzt ein Podcast-Gast mit brille und Schirm-Mütze. Sie lachen. Weiterhin gezeichnet sind das DDR-Sandmännchen, Jungpioniere (Kinder mit blauem Halstuch) sowie ein einfaches Bügeleisen (schwarzer Griff, silberner Fuß und langes, mit Nylon umwobenes Kabel).

Sie sind nach 1990 geboren und in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Berlin, Brandenburg, Sachsen oder Thüringen aufgewachsen. Lucas Görlach, Journalist in Dresden, spricht mit Vertreter:innen seiner Generation. Gemeinsam erkunden sie Kindheits- und Jugend-Erinnerungen. Was hat sie zu denen geformt, die sie heute sind? Was waren Ereignisse und Erkenntnisse in ihrem Reife-Prozess?

Es geht um den Kindergarten und die Schuljahre, um DDR-Filme, um musische Bildung an den Theater-Bühnen, um von Ost-Deutschen gestaltete, öffentlich-rechtliche Medien, um das Leben in der Großstadt und auf dem Land, um Politik, um die Treuhand und ihre Auswirkungen, um Migration. Es geht um die Klischees und Vorurteile. Sehr spannend fand ich die Folge über den Vergleich DDR und Bulgarien – einem weiteren Ost-Block-Land nach der Perestroika.

Lucas erspürt mit seinen Gästen, wie sie der Nachklang der DDR geformt hat. Das, was sie über den Staat wissen, haben sie nicht mehr erlebt. Ihre Sozialisierung ist geprägt von den Geschichten ihrer Eltern und Großeltern, älteren Verwandten und Bekannten. Sie wurden unterrichtet von Lehrer:innen, die zu DDR-Zeiten ausgebildet wurden, denen der sozialistische Bildungsauftrag in Fleisch und Blut übergegangen war. Ich hatte davon in meiner Rückblende auf meine “Schulliteratur” berichtet.

Foto: Keine Jungpioniere (Aufmacher Podcast)
[ 2020-01 Lucas Görlach // Aufmacher gezeichnet von Anja Maria Eisen ]

Die Erzählungen sind geprägt von den schweren Zeiten nach der Wende, in denen Familien-Mitglieder, Freunde, Bekannte reihenweise arbeitslos wurden. Dazu muss man wissen, dass Arbeitslosigkeit im Osten verpönt war. Es gab in der DDR eine staatliche “Arbeitsplatz-Garantie”. Es war nicht der, den man sich selbst aussuchte. Das wurde vom SED-Regime vorgegeben. Dennoch musste man sich um seine Existenz zu DDR-Zeiten kaum Sorgen machen – also zumindest nicht als linientreue:r Genossin und Genosse. Zudem waren Grund-Nahrungsmittel (Sättigungsbeilagen, wie das bei uns hieß), Mieten und Energie-Versorgung stark subventioniert. Mit Einführung der D-Mark änderte sich das von einem Tag auf den anderen.

Arbeitslosigkeit traf die Menschen also doppelt hart – wirtschaftlich und emotional. Viele zogen weg (sind “rübergemacht”). Wer blieb, wurde eingesetzt in schlecht bezahlten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Statt Fabrik-Arbeit mähten sie den Rasen in Ortschaften. Sie liefen an den riesigen Produktionskomplexen vorbei. Geblieben waren nur Ruinen vergangener Vollbeschäftigung und Fünf-Jahres-Plan-Übererfüllung. Das verletzt. Und diese Erfahrungen haben Auswirkungen bis heute. Doch da ist natürlich noch viel mehr.

In den Glasvitrinen unserer Großeltern standen die Kristallgläser aus der Tschechoslowakei. Abgetrocknet wurde mit „den guten alten“ Halbleinen-Geschirrtüchern aus der Lausitz (konnten auf dem Herd im Emaille-Topf ausgekocht werden). Im Kindergarten schliefen wir auf hölzernen Klapp-Betten in kratziger karierter Bettwäsche, spielten mit Holzspielzeug aus den 70ern und die Sportstunden hatten etwas Militärisches (Sport frei!). Und wer in der Oberstufe keine Simson fuhr, war nicht richtig cool. […]

Uns prägte aber nicht nur das Alte, sondern auch viel Neues. […] Wir alle mussten keine blauen Halstücher tragen und auf unseren Schulbüchern stand zwar „Volk und Wissen“, doch der Inhalt war ein anderer, der Verlag eine GmbH, kein VEB. Im Wohnzimmer schallte eine Sony-Stereo-Anlage und irgendwann wurde sogar das schwarze Bügeleisen weggeworfen und durch ein neues mit Dampf ersetzt. Viele unserer Freund:innen stammen aus „dem Westen“ und in einigen Köpfen sind die Grenzen zwischen Ost und West tatsächlich schon sehr verschwommen.

Lucas Görlach

Quelle: Keine Jungpioniere – über das Projekt
(abgerufen 2023-08-04)

In Keine Jungpioniere nimmt uns Lucas mit auf eine Zeitreise zu Land und Leuten. In elf Folgen, alle erschienen 2020.

Zuguterletzt

Nach dieser Langstrecke haben wir uns eine Aufmunterung verdient. Bei mir läuft Jazz. Das passt. Voilà: “The Rumor”. Es spielen Ron Miles (Kornett), Brian Blade (Schlagzeug), Bill Frisell (Gitarre), Jason Moran (Klavier) und Thomas Morgan (Bass).

The Rumor
[ 2020-09-19 Blue Note Records | 4'30'' ]

Soweit für heute! Bleib neugierig,
Franziska (handschriftliche Signatur)

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