Aus der Werkstatt

Wochenrückblick KW03 / 2022

veröffentlicht: 21.01.2022 · Franziska Köppe | madiko

Zeichnung eines Bunsenbrenners mit Kolben an einem Stativ, Reagenzglas mit Setzling und ein Prisma als Symbole für eine wissenschaftliche Werkstatt / Wissensarbeiter:innen. Dazu der Titel Aus der Werkstatt 2022.

Die Themen der Woche: Zwischenstand zu meinem Realexperiment Social Media zu reduzieren. Barrierefreiheit mit UX-Engineering bei Google. OpenBikeSensor, SimRa und Dein Radschloss nominiert zum Deutschen Fahrradpreis 2022. Global Goals Lab “Leben an Land”. Die Vielfalt der Natur verschwindet. Studium Generale “Erwartungen über Klimawandel: Implikationen für die Geldpolitik”. Innehalten mit “Sound of Silence”.

Aus der Werkstatt 2022
[ 2022-01-01 Franziska Köppe | madiko ]

Verflixt! Ich kämpfe mit starken Rückenschmerzen und kann diesen Werkstattbericht nur in Etappen schreiben. Dabei war so viel los in der Woche! Wohlan, dann nicht zu ausnehmend Vorworte. Steigen wir direkt ins erste Thema ein:

Realexperiment Kurse, Podcasts und Fachbücher statt Social Media

Die erste Erkenntnis ist, dass es mir erfreulicherweise immer leichterer fällt, Social Media (vor allem Twitter) auszublenden. Meine Arbeitsthese scheint sich zu bestätigen: Der Bedarf nach Social Media speist sich vorwiegend aus meinem Bedürfnis nach Austausch mit anderen Menschen – und weniger nach einem Mehr an Informationen und Anregungen für den Kopf. Im Gegenteil: Es geht mir besser, wenn es gelingt, Impulse zu reduzieren, die es dann ja auch zu verarbeiten gilt.

Jetzt, da ich Ruhe zulasse, um meinen eigenen Gedanken mehr Raum zu geben, sinkt der Bedarf nach (emotionaler) Ablenkung. Das ist ein Phänomen, das ich schon öfter bei mir beobachtete. Es ist kontra-intuitiv. “Die Lösung ist das Problem” hilft mir dabei, die kognitive Dissonanz aufzulösen. Es wird allerdings eine ganze Weile brauchen, um das dauerhaft zu verankern. Und wohl eine Weile länger, die gesunde Balance zu finden. Denn ich mag Twitter oder LinkedIn und die damit verbundene Art des Austauschs mit der Community. Für die nächste Zeit werde ich also meine Experimente weiter fortführen so, wie ich sie aktuell justiert habe.

Ein höheres Maß an Selbstbestimmung

Das Interessante scheint mir zu sein: Es ist gar nicht so sehr, dass ich nicht weiter hinzulernen und neues Wissen aufsaugen möchte. Das bleibt in einem hohen Maß bestehen und gehört zu meiner Persönlichkeit. Ich habe nur das Bedürfnis, gezielter zu gestalten, was ich lerne. Bei Twitter oder via LinkedIn entscheiden die Timelines über die Themen – auch wenn ich da natürlich meinem grundlegenden Interesse folge. Ich bestimme, was ich nur überfliege und was davon ich im Detail lese. Letztendlich bin ich dort jedoch Getriebene. Und – sind wir ehrlich – man muss selbst in einer gut kuratierten Timeline extrem viel Meldungen weiterschieben, um die wahren Perlen zu entdecken. Zumeist ist’s ein unglaublicher Zeitfresser, der mich oft leer und ausgelaugt oder vollgepumpt mit einem “Nichts” hinterließ. Diese Überfrachtung galt es dann abzuschütteln, bevor ich mich in mein Tagwerk vertiefen konnte.

Durch den veränderten Tagesrhythmus ist mir Zeit geschenkt. Zeit, die ich in meine originären Interessen investieren kann. Wenn ich früher zum Aufwachen Twitter und die weiterführenden Links auf Artikel und Blogs leergelesen habe, so höre ich heute Podcasts oder schlage eines der Bücher meiner langen Leseliste auf. Oder – und das war die letzten beiden Wochen wichtig: Ich ackere mich durch die Kurse zu PHP, MySQL und objektorientierte Programmierung. So habe ich etwas Neues gelernt, das ich im weiteren Tagesverlauf aufgreifen und anwenden kann. Ich habe weniger Themensprünge, die ich kognitiv pro Tag bewältigen muss. Ich kann das zwar und ein Teil meines Generalistentums ist es ja gerade, in großen Zusammenhängen zu denken und schnelle Perspektivwechsel zu vollziehen. Jetzt, da ich wieder das Mono-Thematische zulasse, spüre ich, wie gut mir das tut.

Vor allem am Ende eines Tages habe ich viel stärker das Gefühl, in Bezug auf das, was wirklich wichtig ist, mehr erreicht zu haben – im Sinne von: etwas umgesetzt, angewendet und ein konkret(er)es Ergebnis zu haben. Ich fühle mich fokussierter. Weniger Ablenkung vom Wesentlichen.

Barrierefreiheit im UX-Design
bei Google

Mitte Januar startete technica11yDE. Es war schön, wieder einmal dabei zu sein. Joschi Kuphal von tollwerk, der den Accessibility Club Deutschland organisiert und moderiert, hatte Dirk Ginader von Google eingeladen.

Seit 2021 ist Dirk Manager eines Teams von UX-Engineers1, die exklusiv daran arbeiten, sämtliche Google-Produkte barrierefrei zu realisieren. Sie bauen damit die Brücke zwischen Gestaltung (design) und technischer Realisierung (engineering). Ihr Ziel: allen Menschen die Bedienung der Programme (ux = user experience) so angenehm und barrierefrei wie möglich zu machen. Intern wiederum arbeiten sie darauf hin, dass sämtliche Designer und Programmierer, Barrierefreiheit in ihrer Komplexität verstehen und antizipieren. Also Accessibility von Beginn an mitdenken und Hand in Hand zu arbeiten.

In seinem Impuls stellte Dirk die zentralen Strategien vor und wie sie sie in der Praxis bei Google umsetzen. Der Vortrag war klar, gut strukturiert und informativ. Und auch für mein aktuell größtes Thema in diesem Kontext – das barrierefreie Gestalten von großen Übersichten, Grafiken und Illustrationen – erhielt ich erste Anhaltspunkte in der offenen Fragerunde.

Herzlichen Dank für den Impuls und die Antworten auf unsere Fragen Dirk. Joschi Dir ein großes Danke fürs wertschätzende, freundliche Moderieren.

UPDATE 08.02.2022: Schau gern mal via EnjoyWork vorbei. Dort veröffentlichte ich meine Rückblende unter Barrierefreiheit beginnt beim UX Engineering. Kleine Vorwarnung: Es ist eine Langstrecke geworden, da der Vortrag pickepacke voll war mit guten Anregungen.

[ 1 ] UX-Engineers scheint auch in Deutschland der gängige Fachbegriff zu sein. UX steht für user experience – also die Erfahrungen, die Nutzer:innen mit einem Produkt sammeln. Engineers sind diejenigen, die die Produkte technisch realisieren. So wie ich Dirk in seinem Vortrag verstand, erweitert das Team mit ihrer neuen, selbstdefinierten Rolle diese übliche Arbeitsteilung in Unternehmen. Schon allein deswegen könnte sich für Dich der Impuls lohnen.

OpenBikeSensor, SimRa
und Dein Radschloss

... nominiert zum Deutschen Fahrradpreis 2022

Der Deutsche Fahrradpreis ist ein bundesweiter Wettbewerb zur Förderung des Radverkehrs in Deutschland. Dieses Jahr wird er zum 22. Mal ausgelobt. Verliehen wird er vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW e.V. Partner sind der Zweirad-Industrie-Verband e.V. (ZIV) und der Verbund Service und Fahrrad e.V. (VSF). Ziel ist vor allem, gute Praxis in Sachen Fahrradfreundlichkeit bekannt zu machen und das Engagement der Akteure zu belohnen.

Service & Kommunikation

In der Kategorie “Service & Kommunikation” des Deutschen Fahrradpreises werden Dienstleistungen und Produkte ausgezeichnet, die das Radfahren im Alltag und Tourismus erleichtern und unterstützen. Es geht weiterhin um Botschaften, die z.B. über Rundfunk, Internet, Printmedien (Broschüren, Flyer, Plakate), Bücher, Videos, Apps, CDs, Podcasts, auf Veranstaltungen oder durch Aktionen verbreitet werden. Dazu zählt ebenso das herausragende kommunikative Engagement einzelner Personen. Es werden nur konkrete Maßnahmen und keine Meinungen prämiert.

Dieses Jahr sind zwei meiner Lieblingsprojekte nominiert: OpenBikeSensor und SimRa. Wie genial ist das denn?! Ich freue mich sehr für die Communities. Reinhard hat vorgeschlagen, dass es ein Partner-Preis werden könne, da beide unabhängig voneinander stark sind und zudem gemeinsam wirken (Beweis siehe Foto im verlinkten Tweet). Dem schließe ich mich an.

Egal wie die Wahl ausfällt: Es wird ein Gewinn für Deutschland! Das gilt genauso für bikeSim und das Bündnis Radentscheid München – die beiden anderen Nominierten.

Infrastruktur

Die zweite Kategorie belohnt Infrastruktur-Projekte und Maßnahmen, die den Radverkehr im Alltag, Tourismus und in der Freizeit durch Planungs- oder Baumaßnahmen fördern. Das könnten dann konkrete Vorhaben sein, auf die OpenBikeSensor (als Projekt und nicht als Produkt) einzahlt.

Mein Favorit ist das Gemeinschaftsprojekt aus NRW “Dein Radschloss”. Über die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen ist es nun einfacher möglich, die 1.000 sicheren Radstellplätze der 14 beteiligten Kommunen zu buchen. Jetzt soll das System auf 100.000 Fahrradstellplätze als “Mobility-as-a-Service” in ganz NRW weiter ausgebaut werden. Ja, bitte! Und gern in BaWü ;-) und allen anderen Bundesländern. Wir brauchen verzahnte Systeme für die Mobilitätswende! Je leichter wir es Menschen machen, aufs Rad umzusatteln, desto besser. Davon profitieren dann im Übrigen auch Autofahrende.

Die fahrradfreundlichste Persönlichkeit

Die fahrradfreundlichste Persönlichkeit 2022 ist übrigens Kristina Vogel. In einem Punkt gebe ich ihr allerdings nicht Recht: Wir müssen Straßen so bauen, dass sich alle Menschen sicher fühlen und auch sicher sind. Fahrradhelme stehen für die Umkehr von Verantwortlichkeiten und Opfer-Schuldzuweisung (victim blaming). Das kann nicht die Lösung sein. Wir müssen hier an die Ursachen.

Finanzieren sozialer Innovationen

Ende Oktober hatten das Social Entrepreneurship Network Deutschland (SEND) und das Centrum für Soziale Investitionen und Innovationen (CSI) Heidelberg ihre internationale Studie zur „Finanzierung von Sozialen Innovationen“ veröffentlicht. Inzwischen ist diese auch ins Englische übersetzt.

Am 19.01.2022 fand ein internationales Treffen dazu statt, bei dem wir die Gelegenheit hatten, Impulse von den Beteiligten der Studie zu sehen und uns auszutauschen. Ich mochte vor allem die offene, wertschätzende Stimmung der Gruppe. Das ist eine außergewöhnliche Gemeinschaft von Gleichgesinnten, sehr bunt in den Perspektiven und Disziplinen, mit denen gemeinsam aufs Thema “Social Innovation” geschaut wird.

Mir fehlt aktuell die Zeit, das detailliert zusammenzufassen. Daher kann ich nur raten, sich die Studie näher anzuschauen und Deine eigenen Rückschlüsse daraus zu ziehen.

Global Goals Lab:
“Leben an Land”

Später am Mittwoch fand dann das Global Goals Lab zu “Leben an Land” statt. Ich hatte mich für das Stipendium beworben. Das hatte zwar leider nicht geklappt, doch wurde ich daraufhin zu den gemeinsamen Labs eingeladen.

Der Abend bot kurze Impulse der Stipendiaten, die ihre Arbeit vorstellten und Themen aufwarfen. Zudem hatten wir ausgiebig Raum und Zeit, uns in kleinen Gruppen kennenzulernen und auszutauschen. Ich freue mich, dass ich so dennoch Teil der Gemeinschaft sein und hinzulernen kann.

Wir beschäftigten uns an diesem Abend vor allem mit diesen Themen:

  • Plattform-Kooperativen
  • Urban Gardening
  • Kreislaufwirtschaft und Artenschutz (hochspannendes Feld!)
  • soziale Aspekte von Ernährung und Lebensmittelproduktion
  • klimaresistente Lebensmittel (Schwerpunkt: Kaffee)
  • Gründen und Souveränität (bzw. Abhängigkeit von Investoren und Marktmacht der Nahrungsmittel-Riesen)
  • Transparenz in der Lieferkette
  • Integration und Kooperation innerhalb der Lieferkette
    (Produkt-Entwicklung – Produktion – Aufbereitung – Logistik – Gastgewerbe)
  • Freier, fairer Handel und Aufarbeitungslogistik für die Biolandwirtschaft


Im April findet der zweite Teil zu “Leben unter Wasser” statt. Ich freue mich darauf!

Den Kopf voll mit diesen Themen war es nicht verwunderlich, dass mir die Kampagne des WWF im Rahmen der “Welt Natur Konferenz” direkt ins Auge sprang.

Die Vielfalt der Natur verschwindet

Die Artenvielfalt schwindet. Gemeinsam können wir sie und damit unseren Lebensraum, unsere Lebensqualität und unsere Gesundheit retten! Daher rufe ich auch Dich auf: Bitte unterzeichne die Petition des WWF Deutschland an die Bundesregierung. Fordern wir sie mit vereinten Kräften auf, sich bei der “Welt Natur Konferenz” für ein Ende des Artensterbens stark zu machen.

Vielen Dank!

Zu den Hintergründen gern beim WWF nachlesen. Vielleicht nur so viel:

Die 15. Welt Natur Konferenz findet pandemie-bedingt in zwei Teilen und online statt. Der Auftakt war im Oktober 2021. Die Verlautbarung von Svenja Schulze, die in ihrer Funktion als Bundesumweltministerin die deutsche Delegation leitet, liest sich gut. Darin wird die Lage ungeschönt angesprochen und erstmals messbare Ziele formuliert:

Das Bundesumweltministerium verfolgt in den Verhandlungen drei Prioritäten, für die es globale Handlungsaufträge zu vereinbaren gilt:

Erstens mehr und vor allem besser gemanagte Schutzgebiete. 30 Prozent der Fläche an Land und im Meer sollen bis 2030 unter Schutz gestellt werden. Das entspräche etwa einer Verdopplung der Schutzfläche an Land, einer Vervierfachung auf dem Meer. Wichtig ist dabei, dass diese Gebiete nicht nur auf dem Papier Schutz bieten. Nötig ist ein vernünftiges Management unter Einbindung der dort lebenden Bevölkerung. […]

Zweitens muss die Naturverschmutzung insgesamt zurückgehen. Dabei geht es zum Beispiel um konkrete Reduktionsziele für Überdüngung, Pestizide oder Plastikmüll – nicht nur in Schutzgebieten, sondern überall.

Drittens muss nach Jahrzehnten der Naturzerstörung mit der Weltnaturkonferenz weltweit ein Jahrzehnt der Wiederherstellung der Natur eingeläutet werden. Dafür sollen zerstörte Ökosysteme renaturiert werden. Für Deutschland heißt das etwa: Die Auen einst begradigter Flüsse werden renaturiert, trockengelegte Moore wiedervernässt und Fichtenforste wieder zu naturnahen Mischwäldern umgebaut.

Das Bundesumweltministerium wird in den Verhandlungen dafür eintreten, dass es für diese Anliegen ehrgeizige, messbare Ziele gibt. Damit diese Ziele nicht nur auf dem Papier stehen, sollen aus Sicht Deutschlands und der Europäischen Union auch Regeln zur Erfolgskontrolle vereinbart werden. […] Die globalen Ziele müssen in nationale Verpflichtungen übersetzt und nach internationalen Standards überwacht und überprüft werden. In Deutschland hat das BMU mit der Einrichtung des Nationalen Monitoringzentrums zur Biodiversität in Leipzig bereits eine wichtige Voraussetzung geschaffen.

Das reicht meines Erachtens jedoch nicht aus. Wir müssen vor allem die Ursachen des Artensterbens adressieren. Und den aktuellen Stand wie die Fortschritte dokumentieren. Ich wünsche mir eine Aufbruchstimmung, die die Herausforderung und den Wettbewerb um die besten Ideen und die konsequenteste Umsetzung belohnt. So etwas wie den ‘Moonshot’-Aufruf von John F. Kennedy Anfang der 1960er Jahre. Insofern ist das Monitoringzentrum Biodiversität ein guter, erster Schritt in die richtige Richtung.

Für mich ist es schwer nachvollziehbar, wie wir als Gesellschaft sehenden Auges ins Verderben steuern. Allen, die in Biologie bei der Fresskette aufgepasst haben, sollten doch die Alarmglocken schrillen angesichts der Tatsache, dass wir unsere eigene Lebensgrundlage über die Maßen ausbeuten. So stark, dass sich die Natur davon nicht mehr erholen und erneuern kann. Der Verlust ist irreversibel. Wer jetzt mit Kosten argumentiert, verkennt, dass Naturleistungen (Sauerstoff, Nahrung, sauberes Wasser, usw.) unbezahlbar sind – also jedenfalls nicht mit dem Konzept “Geld”.

Seit 1998 haben wir allein in Deutschland drei Viertel aller Insekten durch unsere Landwirtschaft verloren. Ein voll gedeckter Frühstückstisch? Undenkbar ohne Insekten! Die biologische Vielfalt ist eine unersetzliche Ressource für uns Menschen. Sie ist nicht nur die Grundlage für unsere Ernährung oder unseren Sauerstoff, sondern auch für lebensrettende Medikamente. Unser heutiger Wohlstand wäre ohne sie nicht möglich. Die Natur ist auch eine wichtige Verbündete im Kampf gegen die menschgemachte Klimakrise.

Das Artensterben – von den großen Säugetieren bis hin zu den kleinsten Organismen – hat dramatische Folgen. Sinnbildlich könnte man die Natur mit einem Bauklötzeturm vergleichen, der in einem perfekten Gleichgewicht steht. Auch wir sind ein Bestandteil des Turmes. Desto mehr Steine entfernt werden, desto instabiler wird der Turm – bis er letztendlich zusammenfällt. Wenn wir das Artensterben nicht aufhalten, verschwinden auch wir. Doch wir sind es auch, die etwas dagegen tun können!

Quelle: Natur und Artenvielfalt schützen! [ WWF Deutschland ]

Biodiversität ist im Übrigen ein Feld, in dem wir auf individueller Ebene sehr wirksam werden können: Nur so viel Einkaufen, wie wir brauchen – das gilt für das gesamte Spektrum angefangen von den alltäglichen Lebensmitteln über Gebrauchsgüter bis hin zu unseren Investitionen. Also nicht erst beim Aufräumen fragen: “Sparkt das Joy?” Zudem muss nicht alles neu sein. Gebraucht und aus zweiter Hand sind oftmals völlig ausreichend. Oder geliehen (und verliehen). Das Konzept des Ko-Konsums finde ich gerade bei Gebrauchs- und Investitionsgütern, die wir selten benutzen, klasse. Plastik und sonstige Abfälle vermeiden, auf Kreislauffähigkeit, Qualität und Langlebigkeit achten. Weniger ist mehr! Das sind nur ganz wenige Mittel, die jedoch über die Zeit eine enorme Wirkung entfalten. Das niemals unterschätzen.

Hm. Der Teil ist jetzt doch länger geworden. Gönnen wir uns eine Zäsur.

Innehalten

Ich empfehle, die Bässe hochzudrehen und Kopfhörer.
Augen zu und auf Abspielen drücken:

Erwartungen über Klimawandel:
Implikationen für die Geldpolitik

Studium Generale der Uni Tübingen

Am Donnerstag Abend wählte ich mich ein beim Studium Generale. Dozent war Prof. Dr. Gernot Müller, Wirtschaftswissenschaftler an Universität Tübingen – also ein Heimspiel. Er sprach über die “Erwartungen über Klimawandel: Implikationen für die Geldpolitik”.

Klimawandel und klimafreundliche Politik
der Europäischen Zentralbank

Zentrale Aussage von Prof. Müller war, dass der Klimawandel allein schon dadurch Auswirkungen auf die Geldpolitik hat, da die Wirtschaft eine Wirkung des Klimawandels auf die Märkte antizipiert. Denn auch in der konventionellen Risikobeurteilung der Unternehmen spielen knappe Ressourcen, demographischer Wandel, Migration, Unwetter mit seinen Folgeschäden (sinkende Resilienz und Gesundheit der Menschen, Dürren für die Landwirtschaft wie Überschwemmungen und Flutkatastrophen), usw. eine Rolle. Hinzu kommt, was Unternehmen für ihre Lieferketten aus der Pandemie COVID19 gelernt haben und darauf entsprechend ihrer Situation reagieren. Allein diese Tatsachen reichen also aus, dass das Denkmodell der Geldpolitik Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Wirtschaft nachweisen kann.

Die Europäische Zentralbank prognostiziert einen steigenden Finanzbedarf im Zusammenhang mit dem Klimawandel – ergo Inflation. Ihr primäres Ziel ist die Preisstabilität. Wie also damit umgehen? Vor allem: Wie gelingt es, dass die Geldpolitik dem Gemeinwohl dient? Das, wo bekannt ist, dass viele Marktpreise nicht realen Preisen entsprechen und die Kosten des Klimawandels externalisiert wurden – eine Blase, die in den nächsten Jahren platzen könnte. Es wurde viel zu lange damit gewartet, diese Transparenz herzustellen. Je länger wir diese Klarheit weiter herauszögern, desto härter wird der Transformationsprozess und desto größer die sozialen “Nebenwirkungen”. Welche Steuerungselemente bleiben den Zentralbanken, zumal sie global denken und regional handeln müssen?

Interessant war hier noch der Aspekt, dass die politischen Mittel der Zentralbank so wie sie heute sind (Staatsanleihen, Geldmenge steuern usw.) vorwiegend den kapital-intensiven Branchen – die, wie wir heute wissen, die Klimasünder sind – dienen. Kann eine Zentralbank also überhaupt neutral den Märkten gegenüber sein? Schließt sich das nicht inhärent aus? Welche flankierenden Maßnahmen braucht es, um im Sinne des Gemeinwohls – Europa-weit – zu agieren? Leider blieben viele Fragen offen nach der Vorlesung.

Bildung verstehe ich anders

Mich hinterließ der Vortrag ernüchtert – etwas, das sich mit Fortschreiten des Studium Generale verstärkt. Immer mehr drängt sich mir das Bild auf, dass sich bei den Wirtschafts- und Volkswirtschaften nichts in den letzten zwei Jahrzehnten seit meinem eigenen Studium getan hat. Was wir zu meinen Studienzeiten diskutierten, wird immer noch genauso diskutiert. Noch immer geht es um Geldpolitik (und Preisstabilität), die ausschließlich am Brutto-Inlandsprodukt bemessen wird. Noch immer blenden VWL und allgemeine BWL naturwissenschaftliche, soziale und psychologische Wissensgebiete aus, um mit vermeintlich vereinfachten Denkmodellen die Welt zu erklären. Mir erscheint das so absurd, so weltfremd.

Gleichzeitig wissen wir ja, dass gerade die Macht der Wirtschaft und Politik auf die Gesellschaft groß ist. Wie passt das zusammen? Oder noch wichtiger: Wie kommen wir aus diesem Schlamassel nur wieder raus?

Das Studium Generale lässt diese Fragen offen. Ein weiterer Punkt, der zunehmend Widerstand in mir auslöst. Ich führe das zurück aufs Format der “Vorlesung” selbst. Ein stundenlanger Vortrag ohne Interaktion löst keinerlei Mitdenken oder gar die Freude am Diskurs aus. Die Student:innen, die dabei sind, bleiben in der sich anschließenden viertelstündigen Diskussion stumm. Kein Wunder, wenn sie – vermutlich sogar den ganzen Tag – eingelullt und in die Konsumhaltung gedrängt werden. In den meisten Fällen sind die Videos abgeschaltet.

Ich frage mich, ob es nicht besser wäre, einen Screencast vom Vortrag aufzuzeichnen. Dieses Video vorab versenden, damit sich diesen die Teilnehmenden anschauen können. Dann könnte man die wertvolle persönliche Zeit als Seminar halten und in den sokratischen Dialog, eine Fishbowl oder Ähnliches einsteigen. Kombiniert mit Gruppenarbeit, da 60 Teilnehmende im Plenum etwas viele wären. Doch das ließe sich gut lösen. Das Frage-Antwort-Spiel für diejenigen, die sich trauen, eine Frage zu stellen (allein diese Kultur finde ich gruselig), bringt den Lernprozess jedenfalls nicht voran.

So wird sich für die nächsten zwanzig Jahre nichts an der BWL/VWL ändern. Und das wäre echt verschenkte Zeit!

Zuguterletzt

Es war eine Woche mit zahlreichen Impulsen und nicht in allen Fällen “leichte Kost”. Da lastet einiges auf den Schultern, wenn man sich auf die Themen einlässt. Vielleicht lassen sich so meine Rückenschmerzen erklären? Doch bevor ich jetzt hier ins Esoterische abdrifte, lasse ich es für heute bewenden.

Was treibt Dich um? Welche Themen und Fragen wirft Dir das Leben zu?

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